Über das amerikanische Bildungssystem

Ausgabe: 1989 | 1

Mag mancher auch hämisch auf die vielfach tristen Verhältnisse des amerikanischen Schul- und Bildungssystems blicken, so haben die hier skizzierten Herausforderungen auch für uns Gültigkeit. Cetron geht davon aus, daß A sich in den nächsten 12 Jahren das (Fakten-)Wissen vervierfachen wird, B Schulanfänger des Jahres 1988 bis zur Jahrtausendwende mehr gelernt haben werden als ihre Großeltern während ihres gesamten Lebens, C ein Schulabgänger des Jahres 2000 fünfmal seinen Beruf wechseln und D permanente Weiterbildung daher nicht nur angebracht, sondern unabdingbar notwendig sein wird, um den zu erwartenden Anforderungen gerecht zu werden. Ernüchternd nimmt sich dagegen die Bilanz des Ist-Zustandes aus, denn nur etwa 40 % der jungen Erwachsenen sind in der Lage, einen Zeitungsartikel vom Format der „New York Times" zu verstehen, und gar nur 20% sind der Herausforderung gewachsen, einen Fahrplan zu lesen. Cetron erwartet eine rapide Zunahme computergestützter Informationsvermittlung und Verarbeitung in allen Berufszweigen und fordert u. a. dazu auf, den durchschnittlichen Schultag von derzeit sechs Stunden zu verlängern. Darüber hinaus empfiehlt er, die Klassenschülerzahl von derzeit 17,8 auf 10 zu senken, individuelle Lernprogramme auszuarbeiten, welche nicht nur die Randgruppen (Begabte, Behinderte) berücksichtigen, und die gesellschaftliche Stellung des Lehrberufs zu erhöhen. Lehrende sollten vor allem nicht nur aus dem universitären Bereich, sondern auch aus der Wirtschaft kommen. Um den Anforderungen an die Gesellschaft von morgen gerecht zu werden, spricht sich Cetron schließlich für eine wesentliche Erhöhung der (staatlichen) Ausgaben für Bildung und Erziehung aus, die in den vergangenen fünf Jahren um nicht weniger als 14% gekürzt wurden. Für einen besorgten Amerikaner steht in Anbetracht der geschilderten Entwicklung die Rolle der Nation als Weltmacht auf dem Spiel; für uns sollten vergleichbare Tendenzen hingegen Anlaß sein, neben den Anforderungen an wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit auch soziale Alternativen zu erwägen und experimentell zu erproben.

Cetron, Marvin J.: Class of 2000. In The Futurist. 1988. Nr.11/12, S. 9-15.