„Wir müssen uns ehrlich machen“ (S. 169) schreibt der Philosoph Thomas Metzinger. Die Klimakatastrophe beschleunigt sich, doch unser Umgang ist keineswegs angemessen. Die folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte werden eine schwierige Zeit, und deshalb brauchen wir einen neuen kulturellen Kontext, der diese veränderte Situation zu tragen vermag, auch wenn die Menschheit scheitert. Er schlägt eine „Bewusstseinskultur“ vor – hinter dem Begriff stehen Fragen nach neuen gesellschaftlichen Leitideen, aber auch nach einer richtigen inneren Einstellung zur planetaren Krise, sowie nach einer würdevollen Art zu leben.
Die Tiefenstruktur unseres Geistes
Wir wissen schon lange, dass das wachstumsorientierte Wirtschaftsmodell fatale Auswirkungen auf den Planeten hat, und dennoch ist der Übergang zu einer nachhaltigen Form bislang nicht gelungen. Jetzt befinden wir uns in einer ökologischen Katastrophe, die aufgrund physikalischer, aber auch unserer geistigen Trägheit und der politischer Institutionen nicht mehr aufzuhalten ist. Die Menschheit ist längst in die Phase der Schadensbegrenzung und des Katastrophenmanagements eingetreten. Diese Lage zu akzeptieren, ist sehr schwer. Optimismus dient hier dem Zweck, das Gefühl der Kontrolle zu behalten, schwächt aber letztlich nicht nur den Einzelnen, sondern auch den sozialen Zusammenhalt. Selbsttäuschung schafft auch keine nachhaltige Motivation, sich zu engagieren. Und während egoistisches Verhalten evolutionär begründet ist, verfügt der Mensch doch auch über andere Fähigkeiten – das Gehirn ist komplex. Die Frage ist, ob, oder wie und wann der menschliche Geist noch formbar ist. Aus diesen Gründen ist für Metzinger die Tiefenstruktur unseres Geistes von besonderem Interesse.
Bewusstheit als Strategie
Wir haben, so der Autor, eine ethische Verpflichtung dazu, uns den Tatsachen zu stellen. Es sei intellektuell nicht mehr redlich, noch Optimist zu sein. Wenn er sich hierbei dem Thema Meditation zuwendet, darf man ihn nicht falsch verstehen. Es geht nicht um eine weitere Bewältigungsstrategie oder Weltflucht, im Gegenteil: „Wir brauchen einen neuen kulturellen Kontext, der es ermöglicht, mehr zu tun“ (S. 10). Meditation ist eine Möglichkeit, die innere Bewusstheit zu kultivieren und somit die eigene Autonomie zu stärken. Neben Philosophie und Wissenschaft ist auch sie eine epistemische Praxis, die dem Erkenntnisgewinn dient. Sie erzeugt Kritikfähigkeit und befreit von Mustern. Durch das Scheitern und auch durch die Respektlosigkeit gegenüber anderen Lebewesen und den Abermilliarden, die erst nach uns leben werden, wird das Selbstbild des Menschen einen dauerhaften Riss bekommen. Unsere Aufmerksamkeit wird von uns selbst, aber auch von Medien abgelenkt, doch das macht alles nur schlimmer. Wenn man aber eine Strategie wie die der Meditation verwenden könne, sanft und präzise bei dem unangenehmen Gefühl zu verweilen, sei es möglich, aus dem Teufelskreis herauszukommen.
In drei kurzen Kapiteln diskutiert Metzinger Begriffe wie Zweckoptimismus, Selbstachtung und intellektuelle Redlichkeit. Er fragt, welche Bewusstseinszustände man als positiv werten, und wie man sie kultivieren könnte. Er sucht nach neuen Formen von Würde und entwirft ein Bild von säkularer Spiritualität. Abschließend fasst er seine Überlegungen in einigen Kriterien für eine Bewusstseinskultur zusammen. Eine neue Perspektive!