Stanislaw Lem schreibt über Science Fiction

Ausgabe: 1987 | 4

Beginnend mit biographischen Notizen, bietet dieser Band eine Zusammenstellung verschiedenster Arbeiten Lems - von Rezensionen über Aufsätze zu Wissenschaft und Pseudowissenschaft bis hin zu der 1981 verfassten »Prognose über die Entwicklung der Biologie bis zum Jahr 2040«. Sein besonderes Interesse gilt jedoch seiner eigenen Literaturgattung: der Science-fiction. Er macht kein Hehl daraus, dass er diese verachtet. Für ihn ist die das gesamte Science-fiction-Milieu füllende Substanz, von welcher sich das Schaffender Autoren nährt, der Kitsch. Hinter den grellen Klischees gähnt entsetzliche Leere. »Denn der Weltuntergang, das atomare Jüngste Gericht, die technisch provozierten Seuchen, das Erfrieren, Austrocknen, 'Kristallisieren ... , das 'Robotisieren' der Welt ... haben in der heutigen Science-fiction gar nichts mehr zu bedeuten ... , weil sie der typischen Inflation unterworfen wurden, die eschatologisches Grauen in ein angenehmes Gruseln überführt hat.« Ein weiterer Kritikpunkt ist die »chronische Monstrosität der stellaren Eindringlinge«. Lem, der eine Kontaktaufnahme mit »Außerirdischen« für durchaus möglich hält, wirft der Science-fiction vor, sie unterstellt außerirdischen Mächten, die über Armeen von Sternfahrzeugen verfügen, auf den Besitz der Erde erpicht zu sein. Dies sei ebenso naiv wie die Vorstellung, »eine irdische Großmacht würde ihre Armee mobilisieren, um ein Lebensmittelgeschäft an sich zu reißen«Scharf wendet sich Lern gegen einige pseudowissenschaftliche Autoren wie Velikovsky, Watson oder Hackett mit seinem futurologichen Szenario des dritten Weltkriegs. In seinem Bemühen um rationale Erkenntnis wirft er seinen »Kollegen« vor, irreführende Informationen zu verbreiten. Zu seiner grundsätzlichen Einstellung zu Wahrheit und Wissenschaft das folgende Zitat: »Das menschliche Wissen ist auf eine ähnliche Weise gebrechlich wie der menschliche Körper. Die Naturwissenschaft schließt weder Fehler noch Ignoranz aus. Unser Wissen, auch das exakteste, ist immer unvollkommen, weil es nicht die ewige Wahrheit widerspiegelt, sondern nur den heutigen Erkenntnisstand. (Diese Bücher) versprechen nicht das zeitlich Bedingte, das Relativ-Geschichtliche, sondern das Absolute.«   Die verschiedenen Aufsätze eines der besten Science-fiction Erzähler der Gegenwart belegen die Vielschichtigkeit seiner naturwissenschaftlich fundierten Interessens- und Wissensgebiete. Immer wieder verblüfft sein Relativismus zwischen Hoffnung und Pessimismus, der auch in seinen letzten beiden Romanen »Alle redeten vom Frieden« und »Fiasko« (siehe PZ 1/87*29) zum Ausdruck kommt. Einerseits beklagt er das Fehlen der Hoffnung auf eine Verbesserung der Welt und den Eintritt eines dauerhaften Friedens, andererseits schreibt er: »Die Welt durch' mein Schreiben zumindest in winzigem Maße verbessern zu können ..., ist schon längst eine verlorene Hoffnung.«

Lem, Stanislaw: Science fiction. Ein hoffnungsloser Fall mit Ausnahmen. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1987,222 S.