Sechs kurze Rezensionen finden Sie nachfolgend, geschrieben von Katharina Kiening, Christina Grandl, Stefanie Gerold, Robert Obermair. Im Fokus: Bücher von Christina Lamb, Ezra Klein, Roman Krznaric, Claudia und Bern Hontschik, Aaron Benanav, Julia Neuberger.
Christina Lamb: Unsere Körper sind euer Schlachtfeld
Die Journalistin Christina Lamb lässt in dieser eindrücklichen Reportage Betroffene ihre Geschichte erzählen und zeigt, dass der bewusste und methodische Einsatz von Vergewaltigung und sexueller Gewalt eine Kriegswaffe ist, die in ihrer vielschichtigen, anhaltendenden, zerstörerischen Wirkung in erheblichem Maße marginalisiert wird. Sie zeigt, „wie weitverbreitet Vergewaltigung ist – aufgrund des fortwährenden Versagens der internationalen Gemeinschaft und der inländischen Gerichte, Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.“ Eine ungemein wichtige Berichterstattung. KK
Christina Lamb: Unsere Körper sind euer Schlachtfeld. Frauen, Krieg und Gewalt. Penguin Verlag, München 2020; 445 Seiten
Ezra Klein: Der tiefe Graben
In Der tiefe Graben macht Ezra Klein die Probleme der aktuellen US-Politik deutlich. Die zunehmende Polarisierung und eine verstärkte Parteibindung spaltet das Land mehr denn je und teilt es in zwei Lager. Anschaulich und leicht verständlich zeichnet Klein historische Entwicklungen und aktuelle Tendenzen nach und gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen der Machthabenden und ihrer Wählerschaft. Mit Hilfe von komplexen Studien ebenso wie Alltagssituationen lernen wir zu verstehen wieso die Dinge sind wie sie sind und wieso die Spirale der Polarisierung immer stärker zu werden scheint. CG
Ezra Klein: Der tiefe Graben. Die Geschichte der gespaltenen Staaten von Amerika. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2020; 384 Seiten
Roman Krznaric: The Good Ancestor
Wie können wir zu einer guten Vorfahrin, einem guten Vorfahr werden? Indem wir das vorherrschende kurzfristige Denken durch ein langfristiges ersetzen; indem wir nicht mehr, so Roman Krznaric, in Sekunden, Tagen oder Monaten planen, sondern in Jahrzehnten, Jahrhunderten, Jahrtausenden. Streben wir eine Welt an, die das Wohlbefinden von gegenwärtigen wie zukünftigen Generationen garantiert, müssen wir umdenken: schnell, rigoros und in allen Teilbereichen unserer Gesellschaft. Wie? Das Buch liefert eine Zusammenschau und Kontextualisierung von Stimmen, Ideen, Taten. Eine sinnvolle Grundlage für weiterführendes Reflektieren und Wirken. KK
Roman Krznaric: The Good Ancestor. How to Think Long Term in a Short-Term World. WH Allen, London 2020; 336 Seiten
Kein Örtchen. Nirgends.
Mit ausgewählten Beispielen zeigt das Ehepaar Claudia und Bernd Hontschik, wie schwer es ist, barrierefreie, mit einem Rollstuhl problemlos zugängliche und benutzbare Toiletten außerhalb der eigenen vier Wände zu finden. In einem lockeren Layout sind ihre Erfahrungen fotografisch dokumentiert, beschrieben werden die Einschränkungen, die im Endeffekt Teilhabe oft verunmöglichen. Es ist ein kurzer Einblick in ihren Alltag, der das Ausmaß der Hindernisse streift, mit denen sie täglich konfrontiert sind. Deutlich wird dadurch: Öffentlicher Raum sollte für alle da sein. Ist er aber nicht. KK
Claudia Hontschik, Bernd Hontschik: Kein Örtchen. Nirgends. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2020; 110 Seiten
Aaron Benanav: Automation and the Future of Work
Dass technologischer Fortschritt und Automatisierung in der Zukunft zu Massenarbeitslosigkeit führen werden, ist eine weit verbreitete Annahme. Der Wirtschaftshistoriker Aaron Benanav hält das für unwahrscheinlich. Anhand einer fundierten Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt er, dass wirtschaftliche Stagnationstendenzen die Hauptursache für die Krisen am Arbeitsmarkt sind. Abseits gängiger Tech-Utopien, wonach Roboter uns von der Arbeit befreien, skizziert er die Vision einer Gesellschaft, in der die verbleibende Arbeit gerecht verteilt wird, sodass Menschen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben führen können. SG
Aaron Benanav: Automation and the Future of Work. Verso, London 2020; 160 Seiten
Julia Neuberger: Antisemitismus
Wie der Titel ihres Buchs bereits verrät, hat sich die britische Rabbinerin und Mitglied des House of Lords Julia Neuberger mit ihrem Überblickswerk zum Thema Antisemitismus einiges vorgenommen. Aus der simplen, jedoch besorgniserregenden Feststellung heraus, dass die Bedrohungslage jüdischer Menschen in den letzten Jahren gestiegen ist, befasst sich Neuberger gleichsam mit den Wurzeln des Antisemitismus als auch seinen aktuellen Manifestationen. In einer persönlichen aber auch fachlich fundierten Analyse zeigt sie so eindrücklich, was Antisemitismus eigentlich ist und was nicht. RO
Julia Neuberger: Antisemitismus. Wo er herkommt, was er ist – und was nicht. Berenberg Verlag, Berlin 2020; 261 Seiten