Plädoyer für die große Reform der Vereinten Nationen

Ausgabe: 1993 | 4

1995 gehen die Vereinten Nationen in ihr 50. Jahr. Wenn dem zweiten UN-Generalsekretär Dag Harnmarskjöld (1953-61) die Aufgabe zukam, der 1945 geschaffenen Weltorganisation den Weg für die Zeit der Ost-West-Konfrontation zu bestimmen, so liegt es an dem seit Beginn des Jahres 1992 amtierenden Generalsekretär Butros-Ghali, die neuen Herausforderungen an die UNO nach Beendigung des Kalten Krieges wahrzunehmen und konstruktiv umzusetzen. Nicht nur der Herausgeber - er ist Leiter des Hanseatischen Büros für die (Reform der) Vereinten Nationen - traut Butros-Ghali diese Aufgabe zu, sondern die Texte selbst zeugen von dem für dieses Vorhaben notwendigen Reformwillen. Für den aus dem Kairoer Koptenviertel stammenden Diplomaten gehören Entwicklung und Frieden ebenso zusammen wie Ökologie und Ökonomie. Großes Augenmerk scheint Butros-Ghali der Früherkennung von sozialen und politischen Konflikten sowie von Naturkatastrophen (Vorschlag eines eigenen UN-Nachrichtendienstes) zu schenken. Mehrfach spricht der Generalsekretär die Diskrepanz zwischen den zunehmenden Anforderungen, die an die UNO gestellt würden, und der schlechten finanziellen Ausstattung der Organisation an. Entbürokratisierung der UN-Behörden, bessere Kooperation der einzelnen Unterorganisationen, Aufwertung der nationalen UN-Beauftragten sowie verstärkte Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sollten die Effizienz der UNO steigern, zusätzliche Mittel seien aber unerläßlich. Mit Recht und für einen Diplomaten sehr offen kritisiert Butros-Ghali die nach wie vor enorm hohen Mittel, die die Mitgliedstaaten für Militär und Rüstung ausgeben. Die sogenannte "Agenda for peace" , ein umfassendes Papier an den Sicherheitsrat (aus dem in der Öffentlichkeit zu Unrecht fast ausschließlich der Vorschlag einer dem Generalsekretär unterstehenden, sich aus nationalen präsenten Streitkräftekontingenten zusammensetzenden UNO-Streitmacht rezipiert wurde!) enthält nicht nur konkrete Vorschläge für präventive Diplomatie und Friedensbewahrung, sondern auch zu deren Finanzierung. (Etwa eine UNO-Abgabe auf Waffenverkäufe, die mit dem im Aufbau befindlichen Waffentransferregister gekoppelt sein könnte.) Besonders erwähnt sei ein Referat des Generalsekretärs vor der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, in dem er das Funktionieren der Nationalstaaten in Kooperation mit der UNO - und nicht eine "Weltregierung" - als zukunftsweisende globale Strategie benennt. H. H.

Butros-Ghali, Butros: UNorganisierte Welt. Plädoyer für die große Reform der Vereinten Nationen. Hrsg. v. Stefan Mögle-Stadel. Stuttgart: Horizonte-Verl., 1993, 1,44S., DM 24,- / sFr 20,40 / öS 187,20