Agenda, Expo, Sponsoring. Recherchen im Naturschutzfilz

Ausgabe: 1998 | 4

Noch wohlvertraut klingt uns die reißerische Formel der trendigen Autoren Maxeiner und Miersch in den Ohren: Die Ökologiebewegung, sie könne sich ihre Erfolge nicht eingestehen, entwerfe realitätsferne Horrorszenarien, um ihre eigene Existenz zu legitimieren; Öko-Optimismus sei jedoch, angesichts der durchwegs positiv zu beurteilenden Entwicklung im Natur- und Umweltschutz, angesagt. Naturzerstörung als ideologisches Konstrukt ohne Entsprechung in der Realität?

Jörg Bergstedt, Aktivist zahlreicher Umweltverbände seit über zwei Jahrzehnten, behauptet schlichtweg das Gegenteil: Die Ökologiebewegung habe sich vollständig in den bestehenden Staat integriert, ihre einstigen Postulate verwässert, sehr zum Nachteil der Natur freilich, deren Befunde sich kritischer lesen denn je. Weit davon entfernt, harmonische Begleitmusik zu rot-grünen Bündnissen zu liefern, verweisen die Kassandrarufe des Verfassers auf die Korrumpierbarkeit sozialen Engagements durch Machtteilhabe. Die umfassende Studie Bergstedts analysiert Umweltgruppen- und Verbände in Deutschland - von den großen "Konzernen" (WWF, Greenpeace) über die Grünen als Partei bis zu radikalen Kleingruppierungen im esoterischen und sektiererischen Milieu. Drei Entwicklungsstadien dieser Organisationen werden vergleichend diagnostiziert: Der Etablierung im Zuge der Anti-AKW-Bewegung der siebziger Jahre folgen interne Repressionen gegen jene, die den neu geschaffenen Strukturen und institutionellen Verfestigungen die kalte Schulter zeigen. Das Motto Kooperation statt Konfrontation kennzeichnet schließlich die gegenwärtige Situation; ein modus vivendi mit dem Establishment auf Kosten der Natur.

Die von einem wahren Insider verfaßte Publikation ist nicht die Abrechnung eines Gegners, sondern das vorläufige Resümee eines Enttäuschten. Die zahlreichen Originalzitate und Quellenverweise sichern eine spannende Lektüre und werfen Grundsatzfragen der Ökologiedebatte auf: Ist Natur kompromißfähig und verhandelbar? Oder kommt dabei jener Kompromiß ins Spiel, den der konservative Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Hubert Weinzierl, einst als einen sehr zweifelhaften qualifiziert hat: nämlich als jenen zwischen Leben und Tod? Die schonungslose Kritik Bergstedts läßt vieles offen. Die generelle Absage an politische Gestaltbarkeit im staatlichen Rahmen wird weder normativ-wertend noch empirisch begründet; sie stellt die Frage nach alternativen Szenarien. Ein noch für dieses Jahr angekündigter Folgeband (Thema: Diskussion und Perspektiven) verspricht Abhilfe.


G. S.

Bergstedt, Jörg: Agenda, Expo, Sponsoring. Recherchen im Naturschutzfilz. Daten, Fakten und aktuelle Hintergründe (Bd. 1) Frankfurt/M. IKO- Verl., 1998. 400 S., DM / sFr 39,80 / ÖS 310,50