Neoklassische Umweltökonomie auf Irrwegen

Ausgabe: 1996 | 2

Nicht-Ökonomlnnen sollten sich vom Titel nicht abschrecken lassen. Wem die hier kritisch unter die Lupe genommene Hauptrichtung der Volkswirtschaftslehre nicht bekannt ist, erhält eingangs in knapper und verständlicher Weise eine Erläuterung der wichtigsten Definitionen und Grundbegriffe. Die Theorie der ökonomischen Neoklassik besteht aus einer Ansammlung von Definitionen und Ableitungen, die nach Bruns zwar die Form einer Beschreibung haben, aber keine Beschreibung oder Kausalanalyse im empirischen Sinn sind. Die weitreichenden Konsequenzen dieser deduktiven Methode für die Behandlung von Umweltproblemen durch den Mainstream der ökonomischen Lehre werden im zweiten Abschnitt dargestellt. Neoklassische Ökonomen entwickeln demnach Theorien unter dem Gesichtspunkt, daß diese in das bestehende Theoriegebäude eingebracht werden können, nicht jedoch danach, wo ökologische Probleme de facto liegen. Externe Effekte, öffentliche Güter und Marktversagen - zentrale Elemente (nicht nur) der neoklassischen Umweltökonomie - werden entlarvt als Begriffe, die Umweltprobleme lediglich umdeuten und verkürzen, damit sie theoretisch "verarbeitet" werden können. Auf einer solchen Analyse aufbauende wirtschafts- bzw. umweltpolitische Strategien können daher dem Umweltproblem nicht gerecht werden. Einigen Kernstücken der neoklassischen Theorie wird darüber hinaus sogar die Leitbildfunktion für die Entwicklung von praxisnahen, marktorientierten umweltpolitischen Instrumenten abgesprochen. Dies betrifft sowohl die Setzung von Umweltstandards, die durch Umweltsteuern erreicht werden sollen, als auch das umweltpolitische Instrument der Vergabe von Verschmutzungsrechten. In beiden Fällen werden nämlich die umweltpolitischen Maßnahmen durch hoheitlichen Akt anhand von Kriterien festgelegt, die grundsätzlich nicht aus der neoklassischen Umweltökonomie gewonnen werden können. Ähnliches gilt schließlich für die möglichen positiven Umweltwirkungen des Umwelthaftungsrechts, die nicht der langwierigen Ableitungen der neoklassischen Umweltökonomie bedürfen. Anhand von geistesgeschichtlichen und philosophischen Hintergründen wird im dritten Abschnitt der Frage nachgegangen, warum trotz all dieser Nachteile die neoklassische Theorie nach wie vor das Interesse so vieler Ökonomen findet. In kompakter Weise werden wichtige Kritikpunkte an der neoklassischen Ökonomie zusammengetragen. Aus anderen Zusammenhängen (Arbeitsmarkt-, Konjunktur-, Verteilungspolitik ist ja hinlänglich bekannt, daß Wirtschaftstheoretiker einen großen Teil ihres Hirnschmalzes dazu verwenden, dem (beherrschenden neoklassischen Ansatz immer weitere Facetten hinzuzufügen und gegen Kritik zu immunisieren. Bruns demonstriert, daß der Bereich der Umweltökonomie da keine Ausnahme ist, auch wenn seine Kritik manchmal etwas über das Ziel hinausschießt, wie etwa die enge Sichtweise des Verursacherprinzips zeigt. W. Sch.

Bruns, Hermann: Neoklassische Umweltökonomie auf Irrwegen. Eine exemplarische Untersuchung der neoklassischen Methode und ihrer geistesgeschichtlichen Hintergründe. Marburg: Metropolis Verl., 1995. 159S., DM/sFr 24,80/öS 207