Möglichkeitswissenschaften

Ausgabe: 2020 | 2
Möglichkeitswissenschaften

„Ökonomie mit Möglichkeitssinn“ lautet das Motto einer Festschrift für Reinhard Pfriem von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg zu dessen 70. Geburtstag. In Anlehnung an Robert Musils „Möglichkeitssinn“ plädiert Pfriem für eine „Ökonomik als Möglichkeitswissenschaft“, die selbstreflexiv, pluralistisch und Alternativen aufzeigend wirkt. In den insgesamt 39 Beiträgen des vom Wuppertal Institut, dem Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung und der Cusanus Hochschule herausgegebenen Bandes wird das Werk von Pfriem gewürdigt und der Ansatz einer Möglichkeitswissenschaft weitergedacht. Ein zentraler Begriff dabei ist Performativität, mit dem zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Wirtschaftswissenschaft nicht einen Gegenstand, nämlich die Wirtschaft erforscht und in Modellen abbildet, sondern je nach Ausrichtung Aspekte von Wirtschaft hervorbringt. Ökonomik sei daher keine Naturwissenschaft, die Wirklichkeit in Modellen abbildet, sondern eine Disziplin, die Wirklichkeiten konstruiert. Dies zu bedenken, sei Aufgabe selbstreflexiver Wissenschaft. Daran knüpfen mehrere Autorinnen des Bandes mit dem Begriff der Kontingenz an, also der Möglichkeit und Notwendigkeit, aus mehreren Alternativen auswählen zu können und zu müssen. Auch dies erfordere Reflexivität, wie die Herausgeber um Uwe Schneidewind in der Einführung betonen: „Sich seiner mindestens impliziten normativen Orientierungen zu bekennen, wird zu einer fortwährenden Reflexions- und Rechtfertigungsfrage wissenschaftlicher Redlichkeit.“ (S. 25)

Der Schwerpunkt der Beiträge liegt auf philosophisch-wissenschaftstheoretischen Abhandlungen. Thematisiert werden die Rolle von Wirtschaftswissenschaften als Gesellschaftswissenschaften, die Notwendigkeiten einer Neuausrichtung von Forschung und Lehre in der Betriebswirtschaft, der Managementlehre, des Marketing oder der Unternehmensberatung und Nachhaltigkeitsforschung, sowie der Kontext zu Politik und Demokratie, etwa in Ausführungen über die „Rechte der Natur“.

In Summe ein wichtiger Band, der jedoch auf hohem Abstraktionsniveau verharrt und damit vornehmlich dem innerwissenschaftlichen Diskurs dient. Agenda-Setting für eine andere Wirtschaftspolitik wird eine deutlichere Sprache brauchen.