Menschengemachter Stadtverkehr

Ausgabe: 1989 | 2

Franke zeigt am Beispiel Berlin, welche Maßnahmen vorgenommen werden müssen, damit der Stadtverkehr ökologischen und sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen kann. Die Reintegration der S-Bahn in den öffentlichen Nahverkehr liegt ihm dabei besonders am Herzen. Zur Klarstellung wird zunächst festgehalten, daß Verkehr in der Stadt mehr ist als motorisierter Individualverkehr. "Man versteht darunter die Bewegung von Personen im öffentlichen Raum, egal ob mit oder ohne technische Hilfsmittel. Beim Umbau zur menschengerechten Stadt ist die Verkehrsmittelwahl und der Flächenverbrauch zu berücksichtigen. Eine von Franke aufgestellte Vergleichsrechnung zeigt den Energieverbrauch eines Fußgängers oder Radfahrers gegenüber einem Ein-Personen-Pkw von 1 :77! Um die Qualitäten der Stadt wiederherzustellen, muß dem nichtmotorisierten und öffentlichen Nahverkehr vor dem Individualverkehr Vorrang gegeben werden. Nur dadurch ist die für den Erhalt urbaner Lebensart wichtige kommunale Öffentlichkeit gewährleistet. Am Beispiel der sozialdemokratischen Verkehrspolitik in West-Berlin von 19531980 zeigt der Autor, daß die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs (trotz U-Bahnbau) ständig gesunken ist. "Wie in den USA machte die Umstellung des Schienenverkehrs auf Autobusbetrieb den Weg frei für die Massenmotorisierung, der durch gigantische Schnellstraßenbauvorhaben Rechnung getragen werden sollte. Die Verkehrspolitik geht, mit Ausnahme Kölns, weg von der S-Bahn. In Berlin, so Franke, hat die Verkehrskonzeption einer autogerechten Stadt den SPD-Senat zu Fall gebracht. Nun fährt in West-Berlin die S-Bahn wieder. Aber die Wiederbelebung der Schienenwege ist nicht aufgrund ökologischer Einsichten der konservativen Regierung erfolgt, sondern "es steht das gute alte Profitinteresse dahinter". "Was als , Wiederbelebung der Innenstadt“ so menschenfreundlich firmiert, ist nichts weiter als eine weitere Drehung an der Spekulationsschraube. Eine so verstandene Nutzung innerstädtischen Grund und Bodens ist natürlich nur möglich bei einer Teilverlagerung des Verkehrs. Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, wird auf den Erfolg der Bürgerinitiativen gegen den Stadtautobahnbau in San Francisco hingewiesen. Als Forderungen solcher Initiativen an ein großstädtisches Verkehrssystem formulierte Franke u. a.: keine neuen Straßen, Aufteilung des Straßenraumes zu gleichen Teilen an Fußgänger, Radfahrer, öffentliche Verkehrsmittel und Privatautos bzw. LKWs, Einführung von Tempo 30 und die Verbesserung des Nahverkehrs.

Franke, Detlev: Menschengemachter Stadtverkehr. In: Wechselwirkung. 1989, Nr. 41, S.44-48.