Kultur und Tourismus im Hochgebirge

Ausgabe: 1996 | 1

Die großen Gebirge der Welt sind heute einer vielfachen Bedrohung ausgesetzt: Zersiedelt, von Transportwegen durchschnitten und technisch erschlossen, verkommen sie im Zeitalter des Massentourismus zu konsumierbaren Erlebniswelten. Der Dualismus von Modernisierung und Zerstörung, Innovation und Bedrohung, Nutzen und Bewahren, mit dem die Bewohner der Gebirgsregionen konfrontiert sind, war Gegenstand des hier dokumentierten Symposions. Der Kommunikationswissenschaftler und Vorsitzende von Öko Himal, Kurt Luger, stellt zunächst die These auf, daß der "Tourismus neben anderen Einflußfaktoren einen Veränderungs- bzw. Modernisierungsstreß",  v. a. bei den Bereisten erzeugt. Die inzwischen augenscheinlichen "Grenzen der Belastbarkeit" verlangen nach "sanften Modellen", deren Ziele u.a. mit intakter Landschaft, optimaler Erholung und Kommunikation in der Kulturbegegnung umschrieben werden. Die Geographen Werner Bätzing und Manfred Perlik untersuchen den quantitativen Stellenwert und die Wirtschaftsstruktur des Tourismus in den Alpen und liefern dabei eine Übersicht über die demographische Entwicklung aller 5812 Alpengemeinden (zwischen 1870-1990). Ihr überraschendes Resümee: Die Hälfte der Alpenfläche hat keinen nennenswerten Tourismus. "In nur etwa 10 % der Alpengemeinden dominiert der Tourismus die Wirtschaftsstruktur und verhindert die Abwanderung aus Hochlagen. " Im Abschnitt "außereuropäische Hochgebirge" beschäftigen sich u. a. nepalesische Experten mit den ökonomischen und ökologischen Herausforderungen an die Zukunft ihres Landes, die im Wesentlichen zu verallgemeinern sind: "Sämtliche Mitarbeiter an diesem Buch wie die Teilnehmer des Symposions sind darin einig, daß die Aufrechterhaltung des ökologischen, sozialen und kulturellen Gleichgewichts dieser Gebiete einer verstärkten Einbindung der lokalen Bevölkerung in sämtliche Entwicklungsmaßnahmen bedarf." Schließlich werden Thesen, Forderungen und Maßnahmen zum Thema" Kultur und Tourismus aus ganzheitlicher Sicht" u. a. anhand von laufenden Projekten der "Gesellschaft für ökologische Zusammenarbeit Alpen-Himalaya" (Öko Himal) präsentiert. Es werden also durchaus, dies belegen die beschriebenen Initiativen und Projekte eindrucksvoll,  "intelligente" Schritte gesetzt. Trotzdem sollte man sich nach Ansicht von Andreas Braun, dem früheren Tourismusdirektor von Tirol, nicht der Illusion hingeben, daß die dominierende Sichtweise, die im Tourismus ausschließlich eine “cash cow" sieht, in absehbarer Zukunft von verträglichen Konzepten abgelöst wird, A. A.

Verreiste Berge. Kultur und Tourismus im Hochgebirge. Hrsg. v. Kurt Luger ... Innsbruck (u.a.): Studien-Verl., 1995. 357 S. (Tourismus: transaktuell & transdisziplinär; 1)