Wolfgang Machreich

EU-Gipfel

Ausgabe: 2018 | 4
EU-Gipfel

Die meisten denken bei dem Begriff „EU-Gipfel“ wohl in erster Linie an offizielle Treffen von Staats- und Regierungschefs. Es gibt jedoch auch Menschen, die mit diesem Begriff die höchsten Berge der Europäischen Union assoziieren. Wolfgang Machreich hat beides im Sinn. Kein Wunder, war schon sein Lieblingsbuch in der Schule ein Atlas, den Großglockner bestieg er erstmals im zarten Alter von vierzehn Jahren und EU-politisch kennt er sich als Mitarbeiter des EU-Parlaments ebenso gut aus. So lag es für ihn nahe, den Begriff „EU-Gipfel“ nicht nur auf Brüsseler Zusammenkünfte zu beschränken, sondern ihn „beim Wort zu nehmen“. Also begab er sich auf den Weg zu den „28 Höhepunkten Europas, auf die man stehen muss“.

Seine Erzählung startet in Dänemark. Bei der höchsten Erhebung Dänemarks handelt es sich übrigens nicht um einen Berg, sondern um die Pylonen der Storebaelt Brücke mit einer Höhe von 254 m. Aber die will Machreich nicht gelten lassen. MØllehØj heißt der höchste Berg des Landes, der aus alpinistischer Sicht mit seinen 170,86 m freilich ein Hügel ist. Beim Lesen entsteht jedenfalls der Verdacht, dass im Flachland das Prinzip der vertikalen Knappheit ernst genommen wird, denn bis auf den letzten Zentimeter werden die höchstgelegenen Gipfel akribisch verteidigt. Zu Recht, denn dem einstigen höchsten Berg Dänemarks wurde 1848 der Titel aberkannt, nachdem man festgestellt hat, dass er 1,58 m niedriger ist als ursprünglich vermessen.

Teneriffa, Slowenien, Belgien und Ungarn

Sein Vorhaben führt den Autor quer durch Europa, in die drei baltischen Staaten, auf den westlichsten EU-Gipfel, welcher sich auf den Azoren befindet, und auf den dritthöchsten Berg der EU, den Vulkan Pico del Teide (3718 m) auf Teneriffa, der geologisch dem afrikanischen Kontinent zuzuordnen ist. Machreich stellte sich seiner Angst vor Bären in den Julischen Alpen Sloweniens, Zeus und Co begegnete er auf dem Olymp. Man staunt, dass die höchste Erhöhung Belgiens immerhin 694 m aufweist und jene Ungarns 1014 m. Einzig die Gipfelbesteigung auf den höchsten Berg Zyperns war nicht von Erfolg gekrönt. Schuld daran war weder eine mythische Gottheit noch ein Wetterumschwung, sondern ein Beamter der Royal Navy, der ihm den Weg verwehrte, denn der Gipfel des 1952 m hohen Olympos befindet sich in militärischem Sperrgebiet. Spektakulär war die Besteigung des rumänischen Moldoveanu (2544 m), wo dem Autor ganze 17 m zum Gipfel fehlten als er Gefahr lief, mit seinen Skiern „in ein 30 Kilometer langes, im Winter völlig menschenleeres Niemandstal“ (S. 125) abzustürzen. Voller Angst machte er kehrt, um zwei Jahre später bei deutlich weniger Schnee den Moldoveanu erneut – ohne Ski und diesmal erfolgreich – zu erklimmen. Als Krönung bestieg Macheiner auch den Mont Blanc, den höchstgelegenen Gipfel der EU, mit 4810 m. Sein Ziel, die EU-Gipfel mit der schönsten Aussicht zu erklimmen, könnte Thema seines nächsten Projektes sein.

Machreich erzählt humorvoll, pointiert und kurzweilig über sein außergewöhnliches Unterfangen, welches er als „Liebeserklärung an Europa und seine Erhebungen und Berge“ bezeichnet. Ein empfehlenswerter politisch-geographischer Reiseführer, der Lust darauf macht, die 28 EU-Staaten auf diese ganz besondere Weise kennenzulernen.