Der Autor beschreibt zunächst die Bedeutungsverlagerung des urbanen Lebens hinaus aus den Stadtzentren an die Peripherien, um in der Folge auf den nächsten Schritt, die Auswanderung in die ortlosen Computernetze, einzugehen. Zu groß und zu unübersichtlich seien diese Netze geworden, um sie noch als Global village zu bezeichnen, daher spricht Rötzer von der Telepolis. der interaktiven Stadt am Netz, deren Einwohnerzahl täglich wächst. Der Medientheoretiker erfaßt die Möglichkeiten und Chancen der neuen, globalen Kommunikationsgesellschaft, entlarvt aber zugleich ihre Mythen und Illusionen. So glaubt Rötzer nicht an die weltweite Demokratisierung durch Computernetze, vielmehr werde diese vorgeschoben, um das kommerzielle Interesse am Ausbau der neuen Medientechnologien zu verbergen. Die Telekratie werde von den Computernetzen nicht gefährdet, sondern durch sie weitergeführt. Die Abwendung von der sozialen Realität als Ort des politischen Handelns führe in die virtuellen Nischen der Netze als Ausdruck globaler Ohnmacht, wie der Funktionsverlust der öffentlichen Räume in den Städten die Menschen in die Vereinzelung der virtuellen Teleexistenz treibe. Wie andere auch, verweist Rötzer auf die Auflösung der Traditionen und Bindungen an Lokalitäten und Regionen durch steigende Mobilität und globale Telekommunikation. Er prophezeit ein weiteres Anwachsen der weltweiten Migration mit all dem Sprengstoff, den diese in sich birgt, und skizziert zugleich die neuen kulturellen wie sozialen Fragmentierungen der Weltgesellschaft, wie sie sich auch in den Metropolen der Reichen mit ihren sozialen Gettos immer deutlicher zeigen. Rötzer gibt keine Empfehlungen, sondern beschreibt, was vor sich geht und was noch kommen könnte. Gleichsam als Anregung zum Nachdenken oder Innehalten konfrontiert er uns am Ende seiner Ausführungen mit Heideggers Philosophie vom Da- sein sowie dessen Deutung des Wohnens als Bleiben, als Sichaufhalten und formuliert so die Antithese zur ständigen Bewegung des modernen weltweiten Nomadismus. H. H.
Rötzer, Florian: Die Telepolis. Urbanität im digitalen Zeitalter. Mannheim: Bollmann, 1995. 248 S., DM 36,-/sFr 35,20/öS 267