Jaques Attali über internationalen Atomschmuggel

Ausgabe: 1996 | 2

Immer wieder hören wir von in Koffern gefundenem spaltbarem Material aus dem Osten. Wie viel atomwaffenfähiges Uran oder Plutonium tatsächlich bereits in Umlauf und wie viel Länder besitzen heute schon die Atombombe? Jacques Attali, langjähriger Sonderberater Präsident Mitterrands, ist im Auftrag des Generalsekretärs der Vereinten Nationen diesen Fragen nachgegangen. Gleich zu Beginn erläutert er die Dimension dessen, was auf dem Spiel steht. Der Handel mit Atomwaffen hat sich v. a. nach dem Fall der Berliner Mauer beunruhigend entwickelt. Gehandelt wird in diesem apokalyptischen Umfeld mit allem: Expertenwissen, Technologie und mit spaltbarem Material. "Die Herstellung einer einfachen Kernwaffe ist schon möglich, wenn eine Gruppe über einige Millionen Dollar verfügt." V. a. in der ehemaligen UdSSR verwahrlost heute die Kontrolle atomtechnischer Anlagen und erleichtert so den Schmugglern ihr Handwerk. Der Autor spricht davon, daß weltweit rund dreißig Kilo strahlenden Materials gestohlen wurden, was zum Bau von zwei oder drei Atombomben reicht. Detailliert analysiert Attali die Entwicklung in den einzelnen Ländern, die Kontrollmechanismen, Schmuggelmethoden und mögliche Auswege aus dem Dilemma. Er macht unmißverständlich deutlich, daß die internationalen Instrumente zur Kontrolle heute überholt sind, denn die Überwachung des Atomwaffensperrvertrages - derzeit von 172 Staaten ratifiziert - ist nur dort möglich, wo die Bereitschaft dazu besteht. Im Kampf gegen Atomschmuggel müssen seiner Ansicht nach bisher unantastbare Prinzipien wie die Gleichbehandlung aller Staaten und die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten aufgegeben werden. "Im Kampf gegen Atomschmuggel und Proliferation muß unterschieden werden, welche Rolle die einzelnen Länder bei der Weitergabe von notwendigem Fachwissen und Materialien für den Bau der Waffen spielen, und wie sie am Schmuggel beteiligt sind." Zur Bekämpfung des Atomschmuggels schlägt Attali u. a. vor, die Kontrollen an den Grenzen zu verstärken und Detektoren zu installieren, die Menge des spaltbaren Materials durch einen Herstellungstop von Plutonium zu reduzieren, Reaktoren zu entwickeln, die weniger Uran verbrauchen, die Kompetenzen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zu erweitern und im Rahmen des UNO-Sicherheitsrates eine ständig tagende Institution einzurichten. Schließlich sieht Attali in der Beseitigung der Armut in der Welt einen wichtigen Schritt in Richtung gewaltfreier Gesellschaft. A.A.

Attali, Jacques: Strahlende Geschäfte. Gefahren des Internationalen Atomschmuggels. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1996. 172 S.