Ist die Erde noch regierbar? Ein Bericht an den Club of Rome

Ausgabe: 1995 | 2

Im Sinne des Autor dieses jüngsten Berichts an den "Club of Rome" müßte die etwas differenziertere Fragestellung lauten: Sind die Restbestände der internationalen Staatenwelt und deren parteipolitische Fraktionen und Gruppenegoismen im Zeitalter einer globalen Überlebenskrise noch regierungsfähig? Und seine Antwort ist einfach: Nein. Die aus dieser politologischen Einsicht resultierenden Analysen und konzeptionellen Ansätze sind eine konsequente Weiterführung der Thematik des zuletzt in deutscher Sprache veröffentlichten Buches des Verfassers: "Verrückte Welt. Politischer Wahnsinn und seine Bekämpfung" . Detailliert schildert Dror die Folgen der Zersplitterung der Menschheit in fast 200 miteinander konkurrierende und sich (mehr oder minder) souverän wähnende Nationalstaaten.

Der Professor für Politikwissenschaften an der Universität Jerusalem und Berater mehrerer Regierungsbehörden kennzeichnet die heutige, realexistierende Tagesschaupolitik als zwar medienwirksames, aber systemimmanent inhaltsloses Marketing. Dror fordert eine Neuverteilung politischer Macht, also von Souveränität. gemäß dem Subsidaritätsprinzip. Infolgedessen müßte die mittlere Verwaltungsebene, also die übermäßig aufgeblähten Nationalstaatsregierungen, Kompetenzen sowohl nach unten ins Regionale und Kommunale wie auch nach oben auf die übernationale und planetare Organisationsebene abgeben. Dror sieht die Notwendigkeit. daß eine neustrukturierte UNO zeitweise treuhänderische Aufgaben in Ländern übernimmt, deren Regierungsstrukturen zusammengebrochen sind, um dem Weltpolizeispiel diverser Nationalstaaten quasi den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Verfasser reklamiert, daß wir noch immer keine globale Philosophie und Rechtstheorie für unsere de facto Weltstaatlichkeit haben.

Wie viele andere Bücher weist dieses Werk auch ein Defizit auf: Wie kommen wir, von den besseren Konzepten zu deren realpolitischer Umsetzung - bei zunehmender Beschleunigung der globalen Megakrise? Dror ist sich dieser Problematik durchaus bewußt. Wünschenswert wäre aus seiner Sicht eine entsprechende neue soziale Welt-Bürgerbewegung. Als Realist skizziert er aber auch noch einen alternativen Weg: Um die Nationalstaatsräson zugunsten einer raison d'humanite zu überwinden, möchte er eine Art Schule für Kosmopolitik gründen, in der sich weltoffene Politiker und Manager zu einer systemverändernden neuen Elite vernetzen und so potentielle Bürgerinitiativen von unten verstärken. Der englische Originaltitel („The Capacity to Govern"} ist der Intention des Autors angemessener.

St. M.-St.

Dror Yehezkel. Ist die Erde noch regierbar? Ein Bericht an den Club of Rome. München: Bertelsmann Verl., 1995, 381S., DM / sFr 49,80 / öS 389,-