Ein Prozent ist genug

Ausgabe: 2017 | 1
Ein Prozent ist genug

Mit wenig Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen „Was haben die den geraucht?“, so ein hämischer Kommentar über den neuen Bericht an den Club of Rome „Ein Prozent ist genug“. Wenn sich ein Businessmagazin zu derartiger Polemik veranlasst sieht, muss was dran sein an dem Buch. Und in der Tat: Jörgen Randers, Co-Autor des ersten Cub of Rome-Berichts „Die Grenzen des Wachstums“, und der gegenwärtige Generalsekretär des Vordenker-Kreises Graeme Maxton legen Vorschläge dar, die über ein paar Kurskorrekturen weit hinausgehen. Und dennoch, so betonen die beiden, würden nur Anregungen gegeben, die Aussicht auf politische Mehrheiten haben. Entsprechende Aufklärung vorausgesetzt. Die vorliegende Publikation trägt dazu in hervorragender Weise bei, nicht nur weil wirtschaftliche Zusammenhänge verständlich dargelegt und Fachbegriffe in eigenen Kästen gut erklärt werden, sondern weil Wirtschaften wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. „Die reiche Welt wird auf eine Produktivitätsbarriere stoßen, die Produktivität allmählich stagnieren“ (S. 91), so die Grundthese der Autoren. Der banale Grund: Alle Volkswirtschaften der „alten“ Welt der OECD-Staaten seien mittlerweile Dienstleistungsgesellschaften. Doch Dienstleistungen lassen sich nur bedingt rationalisieren.

Geringes Wirtschaftswachstum ist für die beiden aber nicht das Problem, vielmehr gäbe es andere Herausforderungen zu bewältigen. Randers und Maxton nennen insbesondere die alternde Bevölkerung, die Verteuerung von Ressourcen und den Klimawandel. Der Staat werde in Zukunft mehr Mittel brauchen (etwa für die Abdeckung der Kosten des Klimawandels), doch die private und öffentliche Verschuldung stoße an ihre Grenzen, der Konsum werde daher zurückgehen, was aber die Chance auf einen anderen Wohlstand – die Autoren sprechen von „allgemeinem Wohlergehen“ (S. 150) – ermögliche.

Dreizehn Vorschläge

Dreizehn Vorschläge unterbreiten Randers und Maxton „zur Verminderung der Arbeitslosigkeit, der Ungleichheit und der Erderwärmung“, die sie im zweiten Teil des Buches ausführen. 1) Verkürzung der Jahresarbeitszeit (bezogen auf die USA Anpassung an die Urlaubsansprüche in Europa), 2) Anhebung des Renteneintrittsalters, 3) Neudefinition des Begriffs „bezahlte Arbeit“, der auch die häusliche Pflege von Angehörigen umfasst (vorgeschlagen wird hier eine einheitliche Finanzierung), 4) Erhöhung des Arbeitslosengeldes (!), um die Konsumnachfrage von Menschen in diesen „Übergangsphasen“ zu erhalten, 5) Erhöhung der Steuern von Unternehmen und Reichen (vor allem im Sinne einer Automatisierungsdividende an den Staat), 6) verstärkter Einsatz grüner Konjunkturpakete (finanziert auch über „neu gedrucktes Geld“), 7) Besteuerung fossiler Brennstoffe und faire Verteilung der Erlöse an alle Bürger-Innen (d. h. aufkommensneutrale Gestaltung), 8) Verlagerung von der Einkommensbesteuerung auf die Besteuerung von Emissionen und Rohstoffverbrauch, 9) Erhöhung der Erbschaftssteuern „zur Verringerung der Ungleichheit, der Beschneidung von Philantropismus und zur Erhöhung der staatlichen Einnahmen“, 10) Förderung gewerkschaftlicher Organisationen, „um die Einkommen zu steigern und die Ausbeutung zu verringern“, 11) Beschränkung des Außenhandels „wo nötig, um Arbeitsplätze zu erhalten, das allgemeine Wohlergehen zu erhöhen und die Umwelt zu schützen“,12) Förderung kleinerer Familien durch Geburtenkontrolle, schließlich 13) „Einführung eines existenzsichernden Grundeinkommens für diejenigen, die es am dringendsten brauchen, damit alle ohne Zukunftsangst leben können“ (alle Zitate S. 150f.).

Die Vorschläge sind nicht allesamt neu, erhalten aber Gewicht durch das Renommee des Club of Rome. Und sie sind gut argumentiert. So erhöhe Freihandel den Wohlstand der Menschen, wenn ungleiche Güter getauscht werden (wie Adam Smith es vorschlug), nicht jedoch, wenn Staaten um gleiche Güter konkurrieren, was aufgrund von Lohndumping lediglich die Gewinne der Konzerne erhöhe, nicht jedoch die Bedingungen der ArbeitnehmerInnen verbessere. Auch aus ökologischen Gründen wird eine Dezentralisierung des Wirtschaftens favorisiert. Strittig erscheint – das räumen die Autoren selbst ein – der Vorschlag zur Geburtenkontrolle, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern: vorgeschlagen wird eine Einmalzahlung an jede 50-jährige Frau, die nur ein Kind geboren hat (!). Die Idee dahinter: Aufwertung eines Frauenbildes, das nicht mehr an die Geburt vieler Kinder gebunden ist. Das Grundeinkommen soll schließlich an all jene ausbezahlt werden, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen (können): den Alten, Behinderten, Kranken und Arbeitslosen. Die Höhe soll ein Drittel des Durchschnittseinkommens betragen, 10 Prozent des BIP sollten dafür aufgewendet werden. Die Absicht hinter diesem Vorschlag ist außer Streit zu stellen, dass das Recht auf ein Existenzminimum allen zusteht und dass die Früchte der bevorstehenden technologischen Revolutionen auch jenen zu Gute kommen, die nicht daran partizipieren. Randers und Maxton meinen, dass das garantierte Mindesteinkommen unausweichlich sein wird: „Die Frage ist nicht, ob es eingeführt wird, sondern wann.“ (S. 231).

Resümee: Die dargelegten Anregungen gehen davon aus, dass das gegenwärtige Wirtschaften (die Autoren nennen es „marktradikales Denken“) nicht geeignet ist, die anstehenden Probleme zu lösen. Es sei Aufgabe der Staaten, wieder bedeutend mehr Initiative zu ergreifen. Die Schrumpfung des privaten Konsums bei gleichzeitigem Ausbau öffentlicher Leistungen hoher Qualität gilt dabei als Maxime, die dem Wohlergehen der Menschen dienen und zugleich die Transformation der Volkswirtschaften in die Dienstleistungsära umweltverträglich ermöglichen soll. In Summe sehr pragmatische Vorschläge, die mit Ideologien vom „schlanken Staat“ oder dem „Wachstum durch Förderung der Reichen“ aufräumen, dem gegenwärtigen Austeritätsdenken eine Absage erteilen und dem Wachstum eine neue Richtung geben. Die Umsetzung der Maßnahmen sei, so die Autoren, freilich nur in gut funktionierenden Demokratien möglich, „weil Unternehmensinhaber und Reiche weltweit massiv und aggressiv Widerstand leisten werden – was durchaus verständlich ist“ (S. 237). Doch auch der Kampf um bessere medizinische Versorgung oder bessere Schulbildung sei von demokratischen Mehrheiten erreicht worden. Diese seien daher auch für die nun anstehende Umverteilung möglich. Neue Zukunftswege zu entwerfen und diese in die öffentlichen Debatten einzubringen, um den neoliberalen Mainstream zu brechen, ist hierfür wesentlich. Das vorliegende Buch leistet einen wichtigen Beitrag dazu. Hans Holzinger

Bei Amazon kaufenRanders, Jörgen; Maxton, Graeme: Ein Prozent ist genug. Mit wenig Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen. Der neue Bericht an den Club of Rome. München: oekom, 2016. 288 S., € 22,95 [D], 23,60 [A] ISBN 978-3.86581-810-2