Die Zukunftsethik von Hans Jonas

Ausgabe: 1995 | 2

Im Mittelpunkt der Zukunftsethik von Hans Jonas steht das "Prinzip Verantwortung" sowie die Wahrung der Unversehrtheit der Natur. Beide Pole spielen selbstverständlich auch in diesem Dialog- und Gedenkband - übrigens nach "Dem bösen Ende näher" (1993) bereits der zweite - eine entscheidende Rolle. Es eröffnet sich dem Leser die ganze Bandbreite des Werkes von Hans Jonas; er begegnet uns im ethischen und religionsphilosophischen Diskurs als Interviewpartner, Essayist oder als Redner.

Seine letzten beiden Ansprachen bilden Anfang und Ende dieses umfangreichen Bandes. Jonas spricht darin von der "allumfassenden Herausforderung, die der ganzen Menschheit in der gefährdeten Umwelt entgegentritt". Angesichts dieser "gemeinsamen Schuld" beginne eine neue "Solidarität des Ganzen der Menschheit" über uns zu dämmern, die Rassenkonflikte verblassen läßt. In einem Rundfunkgespräch billigt Jonas dem Schrecken eine motivierende Rolle zu: "Vielleicht können kleine Katastrophen gleichsam mit Phantasie und Empathie das Einfühlen genügend erschrecken und anreizen, damit die große Katastrophe vermieden werden kann." Bei einer Vortragsreihe in Kooperation mit dem Siemens-Bereich-Energieerzeugung (Siemens ist einer der Sponsoren dieses Buches), spricht Jonas über die "ethische Vertretbarkeit von in die Zukunft reichenden Handlungsketten" und bezeichnet die Atomenergie als eine "höchst riskante Form der Energieerzeugung".

Weiters enthält der Band überaus interessante Beiträge zur Rezeption (sowohl Würdigung als auch Relativierungen) von Jonas' Zukunftsethik. Zu erwähnen sind etwa Vorschläge zur Koppelung der parteiparlamentarischen Gesetzgebung an eine öffentliche diskursförmige Institution in allen risikotechnologischen Belangen ähnlich dem von Robert Jungk bevorzugten “Zukunftsrat" . Weiters wird eine spezielle Futurologie gefordert. die verbessertes Wissen über die Folgen unserer Handlungen bereitstellt. In seiner abschließenden Rede hegt Jonas den Verdacht einer "Vergeblichkeit des Wortes", hält aber "Fatalismus für eine Todsünde des Augenblicks", denn er glaubt nicht, daß Dinge unausweichlich sind. Es ist unmöglich, auch nur im Ansatz die Vielfalt der Gedanken und Überlegungen zu würdigen. Als Vermächtnis bleibt die Aufforderung, sich" mit besonderer Sensibilität der Umweltgefährdung zuzuwenden".

A.A.

Ethik für die Zukunft. Im Diskurs mit Hans Jonas. Hrsg. v. Dietrich Böhler. München: Beck, 1994. 491 S. (Ethik im technischen Zeitalter) DM / sFr 48,- / öS 374,50