Hinter der Fassade von Österreichs Fremdenverkehr

Ausgabe: 1994 | 3

Bettenburgen, Betonwüsten, Landschaftsverbrauch, Transitrouten und Zurschaustellung ehemaliger Urtümlichkeit sind die äußeren Zeichen des Tourismusbooms in Österreich, der jahrzehntelang üppigen Geldregen versprach. Hinter den Kulissen der Branche verbirgt sich aber auch soziale Entwurzelung, Alkoholsucht. Depression, Drogenkonsum, Suizid, zerstörte Familien. Der Journalist Alwin Schönberger blickt hinter die Fassade und beschreibt nicht nur die rasante Geschichte des österreichischen Fremdenverkehrs, sondern auch die verheerenden sozialen Auswirkungen, die das große Geschäft auf Land und Leute hat. Es geht ihm dabei weniger um Fakten und Zahlen bzw. eine abstrakt soziologische Analyse des Themas. Vielmehr zeichnet er anhand konkreter Beispiele ein trauriges Psychogramm einer Bevölkerung, die der Tourismus zugrunde gerichtet hat.

Der Volkskundler Hans Haid umschreibt die Veränderungen mit dem Wandel von einst autonom denkenden Menschen zu einem servilen Dienstleistungs- und Unterwürfigkeitsvolk. Die Veränderungen haben ihren Preis: Schönberg berichtet von einer tablettenabhängigen Pensionswirtin. alkoholkranken Kellnern, einer psychotischen Zimmervermieterin, einer 19jährigen kokssüchtigen Hotelierstochter und anderen deprimierenden Fällen. Auch wenn man sich langsam über die Zukunft Gedanken macht, steht dabei überwiegend doch die ökologische Katastrophe im Vordergrund. Es gibt aber auch Tourismusregionen, wo die Menschen durch klare Angebotsmuster und einer Mischung aus Bescheidenheit, kleinen überblickbaren Einheiten und gesundem Egoismus geistig mit dem Tourismus mitwachsen konnten. Die Rede ist von zwei Osttiroler Tälern, wo sich ein Tourismusimage nach dem Motto "Stille Attraktionen, sanfte Aktivitäten" herausgebildet hat. Auch am Kärntner Weißensee und im Kleinwalsertal zeigt sich, dass die immer noch vorherrschende Form des Tourismus keineswegs der einzig gangbare Weg ist. Es gibt also keinen Grund für die Bereisten, sich als "Tanzbären" missbrauchen zu lassen und für die Reisenden, sich nicht mit Respekt und Achtung vor der Privatsphäre touristischen Genüssen hinzugeben.


In einer neuen VCÖ-Studie werden Möglichkeiten und Modelle für sanfte Mobilität im Tourismus und autofreie Tourismusorte in der Praxis vorgestellt: Wege zum autofreien Tourismus. Hrsg. v. Verkehrsclub Österreich. Wien, 1994. 144 S. (Wissenschaft & Verkehr) Fremdenverkehr: Österreich Tourismus: sozialverträglicher

AA

Schönberger, Alwin: Almrausch. Die Alltagstragödie hinter der Freizeitmaschinerie

Wien: Ueberreuter, 1994. 175S., DM39,80 / sFr36,60 / öS311,-