Gewerkschaftspolitik ohne Grenzen?

Ausgabe: 1991 | 4

Die Notwendigkeit einer Neuorientierung gewerkschaftlicher Politik ist insbesondere aufgrund zweier Phänomene evident geworden: zum einen die neuen Herausforderungen an die Arbeitspolitik im engeren Sinne durch Entwicklungen wie Flexibilisierung, Deregulierung und technologischen Fortschritt. Zum anderen erfordert vor allem die Internationalisierung des Kapitals ein Nachziehen seitens der Gewerkschaften. Das Potential transnationaler Gewerkschaftspolitik untersucht Platzer sowohl anhand bestehender formeller und informeller Einbindungen und insbesondere des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) in unterschiedliche Institutionen wie die EG-Kommission, den EG-Ministerrat, das Europäische Parlament etc., als auch anhand der Binnenstruktur des EGB. Das ernüchternde Hauptergebnis dieser Studie ist, dass Gewerkschaftspolitik immer noch vor allem nationale Politik ist, obwohl von Seiten des Kapitals die Internationalisierung massiv vorangetrieben wird. Die einzelnen Mitgliedsgewerkschaften des EGB sind höchst unterschiedlich strukturiert, ihre Positionen in der jeweiligen staatlichen Entscheidungsfindung unterschiedlich verankert, auch Organisationsgrad und Selbstverständnis differieren stark. Darüber hinaus haben gerade die wirtschaftlichen und sozialen Krisenerscheinungen der letzten Jahre die unterschiedlichen nationalen Interessen gegenüber den gemeinsamen transnationalen Strategien eindeutig in den Vordergrund treten lassen. In der Überwindung dieses Dilemmas liegt damit auch der Ansatzpunkt für die zukünftige Gestaltung internationaler Initiativen.

Platzer, Hans-Wolfgang: Gewerkschaftspolitik ohne Grenzen? Die transnationale Zusammenarbeit der Gewerkschaften im Europa der 90er Jahre. Bonn: Dietz, 1991. 2165., DM 19,80/ sFr 16,80/ öS 154,40