GEO extra zu Trendforschung und Faszination Zukunft

Ausgabe: 1995 | 4

Zugegeben, der Blick in die Zukunft ist, wie Prognosen und Delphi-Studien immer wieder zeigen, ein gewagtes Spiel. Wie Gero von Randow in seinem Beitrag feststellt, irrten selbst prominente Zukunftsdenker wie Robert Jungk, der in früher euphorischer Einschätzung meinte: "Es ist kaum vermessen, vorauszusagen, daß in der Welt von 1985 die ,Futurologie' längst ihren Platz neben den anderen anerkannten Natur- und Humanwissenschaften errungen haben wird." Zehn Jahre später ist zwar die "Futurologie" als Wissenschaft nicht anerkannt, gleichzeitig erfreut sich die Trendforschung aber großer Beliebtheit, so daß Rainer Klingholz im Editorial dieses Geo extra zu Recht die Auffassung vertritt, daß "in Zeiten global vernetzter Probleme (... ) die Zukunft nur gestalten (kann), wer sich früh genug ernste Gedanken über sie macht". Wohl zu keinem Zeitpunkt liegt dies im Grunde näher, als vor dem verheißungsvollen Datum der Jahrtausendwende.

Vor diesem Hintergrund entstand ein buntes, "bebilderbares" Kaleidoskop über mögliche Zukünfte, wobei die "Faszination des Phantastischen", wie es Ulrich Schnabel in seiner Kritik (in: Die Zeit) nennt, im Vordergrund steht. Zukunft wird etwa in Form eines Fotoessays über die Welt im 21. Jahrhundert von Karl Hoffmann veranschaulicht; Matthias Greffrath steuert Portraits von Zukunftsgestaltern wie den Inder Rajat Gupta (Managing Director von McKinsey & Company) oder Konzernchef Jürgen Schrempp (Daimler Benz) bei; die Visionen Stanislaw Lems vom" Leben im Phantomaten" werden neben den Verheißungen der Medizin ("Operation 2015") und Gentechnik (Claudia Schiffer mit geklonten Töchtern) ins Bild gerückt.  

In einzelnen Textbeiträgen wird nicht nur das Wesen von Prognosen thematisiert, sondern auch ein Konzept für den ökologischen Umbau der Industriegeseilschaft (Reinhard Loske vom Wuppertal Institut) vorgestellt. Eine Polemik über die ewige Lust am Untergang findet man ebenso wie eine Prognose über die Jobs von morgen und einen Essay über die Entdeckung der Langsamkeit. Den imaginären Streit über die Auswirkungen der Computervernetzung führt der amerikanische Medienkritiker Neil Postman mit Microsoft-Chef Bill Gates. Abschließend sprechen Autoren wie Ulrich Beck, Lester Brown, Helmut Schmidt (glaubt nicht an eine Weltregierung), Nafis Sadik (fordert den Papst auf, seine Meinung zur Verhütung zu ändern), Alice Schwarzer (geht von der Verschärfung der Spannungen zwischen den Geschlechtern aus) oder Frederic Vester über ihre Sorgen und Hoffnungen. Präsentiert werden auch die Ergebnisse einer GEO-Umfrage, die die deutschen Zukunftsperspektiven mit dem Slogan "Gut leben und laut klagen" benennt. Alles in allem ein interessanter Blick in die Zukunft, der allerdings ohne wirklich anspruchsvolle Themen und Analysen auskommt.

AA 

Das 21. Jahrhundert. Faszination Zukunft. Hamburg: Gruner + Jahr, 1995. 196 S. (GEO extra) DM / sFr 15,80/ ÖS 120