Holger Volland

Die kreative Macht der Maschinen

Ausgabe: 2019 | 1
Die kreative Macht der Maschinen

Kreative künstliche Intelligenz, die autonom Bilder wie Rembrandt malt, preiswürdige Romane schreibt, Hitsongs komponiert und paradiesische virtuelle Welten schafft – damit beschäftigt sich der Informationswissenschaftler Holger Volland. Der Autor präsentiert KI anhand vieler Beispiele als faszinierende Zukunftstechnologie und stellt gleichzeitig die Frage: Haben wir überhaupt noch Kontrolle über unser Leben?

Volland unterstreicht die Vorteile von KI: Kluge Maschinen werden unser Leben in vielen Bereichen verbessern. Dazu braucht es eine Reihe von Entwicklungen, welche Maschinen Schritt für Schritt absolvieren: Etwa das Erlernen menschlicher Sprachen auf einem Komplexitätsniveau, welches unsere Kommunikation mit Maschinen erheblich verbessern wird. Künstliche Stimmgeneration erlaubt synthetische Stimmkopien von jedem Menschen – das gleiche ist übrigens auch mit Bildern und Videos möglich. Im Zeitalter von „Fake News“ wird es so noch schwieriger, Realität und Fiktion auseinanderzuhalten (vgl. S. 80). Künstliche Intelligenzen werden auch immer besser in der Analyse von Bildern. Was einen großen Fortschritt für Medizin und Wissenschaft bedeutet, kann mittels Gesichtserkennung auch zum Unterdrückungs- und Diskriminierungswerkzeug werden. Ein Beispiel wäre eine Software mit dem Auftrag, schöne Bilder herauszufiltern – und die dabei nur weiße Menschen hervorhebt (vgl. S. 79).

Auf der Beziehungsebene könnten intelligente Maschinen gute Dienste leisten, etwa im sexualtherapeutischen Bereich. Gleichzeitig warnt der Autor davor, dass sich mit dem Gebrauch von Robotern das Sexualverhalten radikal verändern könnte, indem das Gegenüber nur mehr als Objekt wahrgenommen wird – falls man überhaupt noch Lust auf komplizierte menschliche Beziehungen hat (vgl. S. 133). Hier denkt man auch an die Schaffung komplexer virtueller Welten. Für Volland entstehen faszinierende Räume, die neue Sinneserfahrungen ermöglichen und auch therapeutisch sinnvoll einsetzbar sind; gleichzeitig gilt es zu reflektieren, dass eine private Firma diese Welt geschaffen hat: ein „Einfallstor für mögliche psychologische Manipulationen“ (S. 205).

Künstliche Intelligenz und Macht privater Konzerne

Wie Ramge und Lenzen sieht auch Volland die große Macht, welche private Konzerne durch KI erhalten, als großes Problem an. Ein Beispiel ist die scheinbar kostenlose Digitalisierung von Archiven, Museumsbeständen und anderen kulturellen Schätzen. Hier wird öffentliches Gut privaten AkteurInnen überschrieben (vgl. S. 211). Ein letzter Schritt ist das „Verbessern“ des Menschen etwa durch Implantate und Sensoren. Der „Cyborg“ ist bereits Realität und kann Vorteile für beeinträchtigte Personen bringen. Gleichzeitig sind jetzt auch der Körper und seine Funktionen für private Firmen transparent (vgl. S. 174).

Vollands Fazit angesichts der Chancen und Risiken von KI: „Was uns Technologie bietet, ist grandios (...). Aber wir müssen unseren Blick dafür behalten, aus welchen Gründen eine Auswahl dargeboten wird und auf Basis welcher Kriterien diese getroffen wurde“ (S. 215). Die Verantwortung liege einerseits bei uns und unserem Umgang mit Daten, andererseits bei der Politik, die entsprechende rechtliche Rahmen für künstliche Intelligenz schaffen müsse.

Kritisch sei angemerkt, dass Vollands Zukunftsprognosen häufig anekdotischen Charakter haben, wenig auf Belege bauen und damit mehr subjektive Befürchtungen als rational argumentierte Szenarien sind. Ein wenig mehr Unaufgeregtheit hätte dem ansonsten sehr informativen Werk gutgetan.