Schöne neue Multimedia Welt und die Technikfolgen

Ausgabe: 1995 | 4

Mit dem Schlagwort "Multimedia" werden überwiegend euphorische Erwartungen verbunden. Hoch lebe das technisch Machbare, interaktives Fernsehen, Telebanking und -shoping, Video on demand, Multikanal- und Multiperspektivenprogramme sowie neue Möglichkeiten im Fernunterricht. Multimedia integriert die heute bekannten Techniken - PCs werden zum Kommunikationsmittel, Fernseher erhalten interaktive Kanäle. Prognosen von über 10 Mio. Telearbeitsplätze allein in Europa im Jahr 2000 sind im Umlauf. Die Beiträge des vorliegenden Buches versuchen, Perspektiven der weiteren Entwicklung und Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnik darzulegen, wobei v. a. der Abschätzung und Bewertung von Technikfolgen große Bedeutung zukommt.

Entsprechend diesen Vorgaben werden sowohl die soziale Verantwortung als auch rechtliche Aspekte -- es genügt eben nicht, bestehende rechtliche Rahmenbedingungen durch Privatisierung und Liberalisierung zu verändern -- und politische Aufgaben thematisiert. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dieter Schulte, weist der Politik die Aufgabe zu, "allen Bürgerinnen und Bürgern einen gleichberechtigten Zugang zu neuen Systemen und Diensten (zu) ermöglichen und die Qualifizierung für deren verantwortungsbewußte Nutzung (zu) fördern" . Der enormen Bedeutung der Multimedia-Entwicklung wurde auf dem G7-Gipfel Ende Februar 1995 zum Thema "Informationsgesellschaft" Rechnung getragen. Multimedia wird jedenfalls eine weltweite Veranstaltung - ob nun in Richtung passiver Medienkonsum oder kritische Informationsgesellschaft bleibt abzuwarten. Zumindest in der EU ist die Liberalisierung aller Telekommunikationsnetze ab 1988 beschlossene Sache. Helmut Fangmann, Leiter des Instituts für Telematik in Hamburg, fordert vor diesem Hintergrund rechtliche und politische Rahmenbedingungen, die das Angebot, die Nutzung und die absehbaren Folgen der neuen Technologie entschlossen gestalten, denn gerade um diese zu sichernde Sozial- und Kulturverträglichkeit geht es in den Programmen der EU nicht. Was nun die Folgen für die Handlungsoptionen und den Alltag der Menschen angeht, lassen sich nach Meinung einiger Autoren noch keine sicheren Prognosen abgeben. "Die Technik", meint etwa Kurt van Haaren, "ist nicht von sich heraus nützlich oder schädlich", es kommt darauf an, wie wir sie nutzen. Es ist allemal höchste Zeit, auch bei uns wie in den USA eine breite öffentliche Auseinandersetzung über Gestaltung, Nutzung, Regulierung und Ethik der neuen Medien zu führen.

AA

Multimedia. Die schöne neue Welt auf dem Prüfstand. Hrsg. v. Kurt von Haaren ... Hamburg: VSAVerl., 1995. 2405., DM 29,80