Forum für Verantwortung: Perspektiven einer nach- haltigen Entwicklung

Ausgabe: 2013 | 2

In einer 10-bändigen Reihe hat das „Forum für Verantwortung“ in den letzten Jahren alle nachhaltigkeitsrelevanten Fragestellungen von namhaften ExpertInnen auf leicht verständliche Weise aufbereiten lassen (in PZ wurde darüber berichtet). In einem aktuellen, schlicht „Perspektiven der Nachhaltigkeit“ genannten Band wurden Wissenschaftler (es sind diesmal nur Männer – ein Wermutstropfen) eingeladen, Zukunftsszenarien für das Jahr 2050 zu entwerfen. Die verbindende Klammer dabei sind die begrenzten Ressourcen sowie ein neues Verständnis von Wohlstand. Klaus Wiegand, Vorstand des „Forums“, sowie Mitherausgeber Harald Welzer bringen dies einleitend auf den Punkt: „Alle wesentlichen Entwicklungen in Bezug auf Nachhaltigkeit laufen in allen Gesellschaften auf dem Globus in die falsche Richtung. Daher ist eine weitere Zeit des ´Leise-Tretens´ nicht mehr zu verantworten. Um die Zivilgesellschaften wachzurütteln, müssen wir den Spagat wagen und einerseits den Menschen ein realistisches Bild vom schier unersättlichen Res-sourcen- und Energieverbrauch und den damit verbundenen Überlastungen der Ökosysteme der Erde sowie den uns verbleibenden Handlungsoptionen zeichnen. Andererseits müssen wir gleich- zeitig die gute Botschaft vermitteln, dass eine nachhaltigere Welt von morgen mehr und neue Lebensqualität bringen kann: zum Beispiel Zeitwohlstand, befriedigende soziale Beziehungen, Gesundheit, Glück und Solidarität.“ (S. 8)

 

Entworfen werden (utopische) Zukunftsszenarien über eine „Postwachstumswirtschaft“ (Niko Paech) oder eine „lokale Ökonomie“, die eine neue Arbeitswelt ermöglichen würde (Hans Diefenbacher), ebenso wie realpolitische(re) Perspektiven einer Ökologisierung der Steuersysteme (der britische Ökonom Paul Ekins referiert etwa einschlägige EU-Studien) oder einer global nachhaltigen Ernährungssicherheit (Klaus Hahlbrock). Referenzpunkt aller Ausführungen ist jedoch ein anderes Verständnis von Wohlstand, welches auch die Demokratie verändere. Die Bürgergesellschaft müsse, so der Politologe Claus Leggewie, im Einklang mit dem milieuübergreifenden Wertewandel weltweit Ziele guten Lebens erörtern, „die das erforderliche `Weniger` (an Strom- und Kalorienverbrauch, Flugmeilen, Jahreskilometern, Raumtemperaturen etc.) als ein `Mehr` (an Lebensqualität und Lebenszufriedenheit) plausibel machen. Dies erfordere einen „tiefgreifenden Umbau der Gesellschaft“ (S. 268). „Demokratie 2050“ hieße dann: „Wir haben den Schock der Einsicht in die Grenzen des Erdsystems verarbeitet zu einer bürgerschaftlich gestützten Demokratisierung, die uns besser mit unserer natürlichen Umwelt und unseren Mitmenschen in Einklang bringt.“ (S. 271) Dass dies noch nicht gelungen sei, ist für den Ökonomen Paul Ekins auch der Hauptgrund für die bislang nur zögerliche Ökologisierung der Steuersysteme, welche keineswegs die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, aber „höhere Spar- und niedrigere Konsumraten“ erfordern würde: „In einer Konsumgesellschaft mag das nicht auf Gegenliebe stoßen“ (S. 129). Hohe CO2-Preise würden starke Änderungen von Lebens- und Konsummustern bewirken, was politisch auch nicht populär sei, „denn viele Formen des CO2-reichen Konsums (beispielweise Reisen) sind in der Gesellschaft tief verwurzelt“ (ebd.). Weder Technologie noch Kosten wären demnach der begrenzende Faktor bei der Minderung des Klimawandels, sondern die Politik, so Ekins Schlussfolgerung – „was mit der Vorliebe der Menschen sowohl zum Konsum anstatt zum Sparen und Investieren als auch mit Aspekten CO2-reicher Lebensstile zu tun hat.“ (ebd.).

 

Bedenkenswert sind nicht zuletzt die Ausführungen des Politikwissenschaftlers und Entwicklungsexperten Dirk Messner über die globalen Machtverschiebungen, die politischen Implikationen des Klimawandels sowie Chancen von Global Governance. Machtverschiebungen hätten in der Weltgeschichte häufig zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt. Der Zugang zu Rohstoffen sowie die Ausweitung von Einflusssphären spielte dabei eine zentrale Rolle. Die gegenwärtige Verschiebung von ökonomischer Macht in Richtung Asien werde auch die weltpolitische Lage verändern. Für Messner ist keineswegs ausgemacht, dass dies friedlich verlaufen wird. In der Geschichte seien „friedliche Übergänge zwischen unterschiedlichen Weltordnungskonstellationen, also die Ablösung einer Weltordnungsmacht durch einen oder mehrere Aufsteiger, äußerst selten“ vorgekommen (S. 289).

 

Allein internationale Regelwerke und Verhandlungssysteme, so die Grundidee des „Institutionalismus“ sowie einer „Global Governance“, könnten „einen Interessensausgleich zwischen Konfliktparteien erleichtern, den Staaten den institutionellen Rahmen für eine ständige Kommunikation eröffnen und ihnen dabei helfen, Vertrauen aufzubauen bzw. Misstrauen abzubauen.“ (S. 283) Die Chancen auf friedlichen Ausgleich sind für Messner jedoch gestiegen. Er nennt die starken ökonomischen Verflechtungen, das Fehlen fundamentaler ideologischer Konflikte sowie die Zunahme nationalstaatlicher Demokratien als wesentliche Gründe.

 

Noch sind es Minderheiten, die sich ressourcen-ärmeren Lebensstilen zuwenden. Doch die erforderliche Transformation – das macht dieser Band einmal mehr deutlich – wird eine Umsteuerung aller benötigen. Der Umgang mit begrenzten Ressourcen in einer sich rapide wandelnden Welt (siehe Chandran Nair Nr.  in dieser PZ) stellt daher wesentlich auch eine Herausforderung an die Demokratie dar, Mehrheiten für diesen Wandel zu finden. H. H.

 

 

 

 Forum für Verantwortung: Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung. Hrsg. v. Harald Welzer u.Klaus Wiegandt. Frankfurt: Fischer, 2011. 352 S., € 12,99 [D], 13,40 [A], sFr 18,20 ; ISBN 978-3-596-18794-2