Erwachsenenbildung und industriellen Revolution

Ausgabe: 1989 | 1

Seit dem Bericht "Das menschliche Dilemma, Zukunft und Lernen" des Club of Rome ist die Forderung nach antizipatorischem Lernen mit Recht eines der Dauerthemen der pädagogischen Diskussion. Joachim H. KnolI, zurzeit an der Ruhr-Universität Bochum und seit fast 30 Jahren einer der fleißigsten Fachautoren auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung, hat mit diesem Buch eine Dokumentation vorgelegt, die untersuchen soll, inwieweit sich die offiziellen und offiziösen Konzepte der Erwachsenenbildung diesem Anspruch gestellt und wie sie ihn verarbeitet haben. Leider hat der Autor und/ oder der Verlag bei der Titelwahl eine Schuhnummer zu groß gewählt: denn es handelt sich im 'wesentlichen um eine für sich gewiß verdienstvolle Zusammenstellung von Quellentexten, denen ein begrenzter Anteil von Erläuterung, Kommentar und Interpretation gegenübersteht. Diesen Umstand kann man allenfalls noch aus dem Untertitel entnehmen.
Dokumentiert werden mit einer Ausnahme nur bundesdeutsche Texte. Den Ausgangspunkt bildet dabei ein Grundsatzpapier des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, in weichem "Thesen zur Weiterbildung" formuliert sind (1984). Nach weiteren Texten bildungspolitischer Prominenz und Institutionen, die mit diesem Themenbereich befaßt sind, folgen Stellungnahmen aus der Wirtschaft: Positionen von Otto Wolff von Amerongen (1985), vom Deutschen Industrie- und Handelstag (1987), vom Institut der Deutschen Wirtschaft und von der Berufsvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (1986). Ein weiterer Abschnitt dokumentiert Quellen der Erwachsenenbildung "in öffentlicher Trägerschaft“, worunter der langjährige Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes, Hans Tietgens, mit zwei Abhandlungen aus 1986/87 zu Wort kommt. Weiters findet man Texte aus dem Bereich "nichtöffentlicher Trägerschaft", worunter Knoll die kirchliche Erwachsenenbildung (mit Konzepten der Dachverbände DEAE und KBE 1985, der AKSB 1986 und der Diözese Rothenburg 1982) versteht sowie die gewerkschaftliche Bildungsarbeit und "sonstige Einrichtungen". Analyse und Kommentar zu den versammelten Texten sind leider schmal ausgefallen, was durch eine Konzentration auf die deutsche Volkshochschule noch verstärkt wird. (Wahrscheinlich fühlt sich Knoll hier am kompetentesten.) Im Wesentlichen gibt er folgende Zwischenbilanz: 1) die Konzepte enthalten Zweifel in und an die gedankenlose Auslieferung des Pädagogischen an die Modernität, sie nehmen 2) die zukunftsoffene Formel vom antizipatorischen und innovativen Lernen auf und betten 3) Erwachsenenbildung in eine Zukünftigkeit ein, die nicht aus technischen Ansprüchen und Konditionen allein heraus definiert wird. Insgesamt also wohl kein Buch für einen breiteren Nutzerkreis, sondern eher für den erwachsenenbildnerischen Insider, der auch den offenbar unvermeidlichen Fachjargon bewältigen kann, für Bildungspolitiker und Fachwissenschaftler. Für diese stellt das Buch aber sicher eine wertvolle Sammlung bundesdeutscher Erwachsenenbildungs-Quellentexte aus der Mitte der 80er Jahre dar, deren Zugänglichkeit aufgrund ihrer weitverstreuten Erstpublikation mitunter schwierig sein könnte.

KnolI, Joachim H.: Erwachsenenbildung vor der 3. industriellen Revolution. Befunde und Zukunftsprogrammatik in Quellen und Dokumenten. Ehningen/Böblingen: expert-Verl., 1988. 203 S. (Beruf und Bildung)