Epochenwechsel. Plädoyer für einen grünen New Deal

Ausgabe: 2010 | 1

Die „Mehrfachkrise“ bringe den Kapitalismus an seine Grenzen, so auch Michael Müller und Kai Niebert in ihrem Band „Epochenwechsel. Plädoyer für einen grünen New Deal“. Wenn Wirtschaft und Gesellschaft nicht grundlegend neu geordnet werden, „verbinden sich der ökonomische Kollaps, soziale Verteilungskonflikte und die ökologischen Grenzen des Wachstums zu einem massiven Angriff auf Menschenrechte und Menschenwürde“ (S. 13), so die Warnung der beiden Experten. Entweder erlebten wir ein „Jahrhundert erbitterter Verteilungskämpfe, weil die Politik die Wirtschaftsprozesse weder sozial noch ökologisch regelt“, oder es komme „zu einer nachhaltigen Entwicklung, in der wirtschaftliche Innovationskraft mit sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit verbunden wird“ (S. 24).

 

Die Autoren - Müller ist parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Niebert Präsidiumsmitglied des Deutschen Naturschutzrings - beleuchten (einmal mehr) die Umweltkrise, die nicht nur zum „Peak Oil“, sondern zu einem „Peak Everything“ führen würde. Dem Argument, dass es auch früher Klimaänderungen gegeben habe, wird entgegengehalten, dass diese Klimawechsel zwischen Warm- und Eiszeiten stattgefunden hätten, nun aber einer „Warmzeit“ eine weitere „Warmzeit“ draufgesetzt werde, und zwar in einem erdgeschichtlich rasanten Tempo (S. 64). Auch die nichtnachhaltige Finanzarchitektur ist Thema: Müller/Niebert rechnen vor, dass die Schulden „inzwischen weltweit das Vierfache des Bruttoinlandsprodukts, also der Gesamtsumme aller Einkommen und Gewinne eines Jahres“ betragen (S. 37).

 

Notwendig sei daher ein umfassender Strukturwandel, eben ein „Epochenwechsel“. Wie andere auch setzen die Experten auf Effizienz (höherer Output pro Einheit), Konsistenz (Wirtschaften in Analogie zur Natur, z. B. Solar– statt Fossilwirtschaft) sowie Suffizienz (Kultur des Genug) (S. 90ff). Effizienz und Konsistenz sollen dabei durch den Wandel zu einem ökologischen Wirtschaften auch neue Impulse für Beschäftigung (und Wachstum) geben. Müller/Niebert gehen davon aus, dass der sechste „Kondratieff“ mit einem Ressourcen sparenden Wirtschaften und dem Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe zusammenhängen werde.

 

Der Band bietet nicht nur sachkundige Befunde, sondern gibt auch eine Zusammenschau notwendiger und auch möglicher Umsteuerungsmaßnahmen. Die dargestellten Wege aus der Klima-, Rohstoff- und Finanzkrise bieten eine Vielzahl von Vorschlägen, die nicht alle neu, aber hier in einer sehr anschaulichen Weise zusammengestellt sind. Allen Kapiteln sind Übersichten mit politischen Maßnahmenbündeln, ergänzt um Dinge, die jedeR einzelne tun kann („Ihr persönlicher New Green Deal“) angeschlossen, die die Ausführungen zusammenfassen. Es fehlt mittlerweile nicht mehr am notwendigen Wissen für die Umsteuerung – dies bezeugt der vorliegende Band einmal mehr. Die Defizite liegen vielmehr in der fehlenden Umsetzung. Stärker in den Blick müssen daher Analysen über Bedingungen, die den Wandel ermöglichen bzw. über jene Barrieren rücken, die ihn (noch immer) verhindern. H. H.

 

Müller, Michael; Niebert, Kai: Epochenwechsel. Plädoyer für einen grünen New Deal. München: ökom, 2009. 279 S., € 19,90 [D], 20,50 [A], sFr 34,80

 

ISBN 978-3-86581-175-2