Entenvisionen. Eine Reise in die Nachhaltigkeit

Ausgabe: 2009 | 3

Was bewegt Menschen, sich mitzuteilen? Was andererseits veranlasst Leser, dem Autor Interesse, Vertrauen und Aufmerksamkeit zu schenken?

 

Fragen wie diese kommen mir nach der Lektüre dieses in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlichen Buches in den Sinn, dessen Autor – ein diplomierter Informatiker, Bau- und Wirtschaftsingenieur – sich schonungs-, für manche wohl gar hemmungslos „outet“, um sein anonymes Gegenüber von einer in einer Februarnacht des Jahres 2007 angetretenen „Reise in die Nachhaltigkeit“ in Kenntnis zu setzen.

 

Was war geschehen? Der Autor berichtet von einer im Traum erfahrenen Vision, in der ihm eine Ente als Sinnbild der Nachhaltigkeit erschienen und ihm ein „zweites Leben“ geschenkt worden sei (S. 7).

 

Geradezu missionarisch („Ich möchte Deine Seele, Dein Herz erreichen, wenn mir das nicht gelingt, so doch zumindest Dein Verantwortungsgefühl“, S. 5) schildert Ralf Ruszynski im Folgenden zum einen rational fundierte, innovative und durchaus überzeugende Ansätze einer nachhaltigen Entwicklung: Möglichkeiten einer den Jahreszeiten angepassten „variablen Gebäudedämmung“, Perspektiven einer solaren  Energieversorgung weltweit – eine in der Sahara installierte Kollektorfläche von 300 km2 würde ‚nach Stand der Technik’ genügen, um den Weltenergiebedarf zu decken! (vgl. S. 52) Nachvollziehbar, aber individuell radikal hingegen mutet die vom Autor propagierte „individuelle Klimatisierung“ an, die den eigenen Körper als „kleines Kraftwerk“ begreift und der minimalen Energienutzung wegen selbst in Wintermonaten die Absenkung der Raumtemperatur auf 12° Celsius als Gewinn und Beitrag zu einer verantwortungsvollen Lebensgestaltung empfiehlt. Jedem das Seine, möchte man dem Autor durchaus anerkennend und verständnisvoll entgegen rufen, doch ist es damit leider nicht getan. Denn indem Ruszynski sich selbst und jeden Einzelnen für einen Kurswechsel in Richtung Nachhaltigkeit verantwortlich sieht, zugleich aber gesellschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse nicht grundsätzlich hinterfragt, sind selbst die bestgemeinten Motive und Verhaltensweisen von, nennen wir es systemischer Naivität: „Es geht mir nicht darum“, so Ralf Ruszynski, „den ‚Mächtigen’ dieser Welt ihre Macht zu nehmen. Wenn Geld, Einfluss und Status ihnen soviel bedeutet (sic!), dann sollen sie damit auch gerne weiter leben. Mir geht es ausschließlich darum, dass wir die Natur und den Menschen respektvoll behandeln, und dass kein Mensch auf dieser Erde das Recht hat, einen Dritten zu schädigen (…) Jetzt ist es wichtig, dass ICH den geschriebenen und gesprochenen Worten Taten folgen lasse“ (S. 97).

 

Sind die Argumente bis zu diesem Punkt hin zumindest nachvollziehbar, so werden sie im weiteren Verlauf – für alle Beteiligten – zur Glaubenssache und Spekulation. Der Verfasser berichtet von „Lucid-Träumen“ von seinem Eintauchen in die „Weltseele“, gibt sich als Anhänger kosmologischer Spekulationen („Essener Mediationen“) oder der Prophezeiungen des „Maja Kalenders“ zu erkennen, dem zu Folge der im Februar 2011 beginnende „Universale Zyklus“ „ein kosmisches Bewusstsein entwickelt und die Erhöhung der Menschheit vollendet.“ (S. 130). Wer möchte, wird dann selbst die im letzen Teil des Buches vermittelten Einblicke in Konzepte der Bionik und die Schilderungen eines naturverbundenen Lebens, das der Autor seit kurzem in Australien in einer öko-spirituellen Gemeinschaft führt, als stimmigen Beitrag zu einer esoterisch inspirierten Nachhaltigkeit begreifen können.

 

Ein Titel, der ‚Nachhaltigkeit’ in der Polarität von Rationalität und Irrationalität, Wissen und Glauben auf eigenartige Weise verknüpft. Es liegt nahe, dass er damit nicht nur überzeugen, sondern auch Widerspruch erfahren dürfte. W. Sp.

 

Ruszynski, Ralf: Entenvisionen. Eine Reise in die Nachhaltigkeit. Eigenverlag, 2009. 176 S. € 14,90 [D], 15,30 [A], sFr 26,10; ISBN 978-3-00-027517-3