Die Zukunft ist fuzzy

Ausgabe: 2001 | 4

„Fuzzy-Logik“ umschreibt das Denken in vagen Begrif-fen. Dieses Konzept der Vagheit – die Anwendungen reichen inzwischen von vollautomatischen U-Bahn-Leitsystemen (etwa in der japanischen Stadt Sendai) über intelligente Autos (der VW Beetle wird von fuzzy-logischen Systemen gesteuert) bis hin zu Internet-Spam-Filtern – hat inzwischen Einzug in viele Bereiche unseres Lebens gehalten. Der Wegbereiter der Theorie der Fuzzy-Logik (vgl. PZ 4/1993*531), Bart Kosko, gibt im vorlie-genden Band einen aktuellen Überblick über die Phäno-mene der „Unschärfe“ in Politik, Wissenschaft, Kunst und Persönlichkeit. Gelesen als deskriptives „Welterklä-rungsmodell“ im Gegensatz zur lange gültigen zweiwerti-gen Logik des Aristoteles und Spekulationen über die Zukunft der Biologie im digitalen Zeitalter ist dem um-fangreichen Reader einiges abzugewinnen. Was hingegen befremdet, ist die schicksalhafte Ergebenheit in die Tech-nologie der Chips.

Zunächst geht es dem Elektrotechniker um die Frage, wie sich der „Fuzzy-Ansatz“ auf die Politik und jene Konzep-te übertragen lässt , die einem Großteil des modernen gesellschaftlichen Diskurses sowie der Wissenschaft und Kultur zugrunde liegen. Politische Macht und wissen-schaftliche Wahrheit sind ihrem Wesen nach unscharf ebenso wie unsere persönliche Identität. Unschärfe in der politischen Welt, so der Autor, erzeugt eine Art Anarchie der Wahlmöglichkeiten, weshalb wir es dem Staat über-lassen, scharfe Grenzen zu ziehen. Gerade deshalb bein-haltet die Politik viele Konflikte zwischen unscharfen Optionen und binären Regeln. Dieses Beschreibungsmo-dell für Politik lässt uns zumindest gesellschaftliche Be-wegungen als dynamische Systeme definieren, „die sich selbst erhalten und die sich wandeln, wenn sich die Rah-menbedingungen ändern“ (S. 78). Als Modell der politi-schen Mitwirkung stellt Kosko ein „Fuzzy-Steuerformular“ vor, mit dem der einzelne Steuerzahler dem Staat sagt, wofür und in welcher Höhe ein Teil seiner Steuern verwendet werden soll.

Weitere Themen beschäftigen sich u. a. mit der digitalen Kultur als eine Kultur wachsender Vielfalt, „die sich aus Tatsachen und Meinungen, Kunst und Wissenschaft und all jenen fuzzy-Mustern (zusammensetzt), die wir Ideen nennen“ (S. 303). Abschließend geht es um Phänomene einer künftigen Biologie. Ein Problem sieht der Autor darin, dass wir für unsere wertvollsten biologischen und mentalen Daten keine Sicherungskopie haben. „Jede Sekunde zerfällt unser Gedächtnis ein wenig mehr, und wir vergessen ein wenig mehr von unserem Leben.“ (S. 369) Da beruhigt doch die Vorstellung ungemein, dass Computerchips schon bald die gleiche Datenverarbei-tungskapazität wie das menschliche Gehirn besitzen werden. Dann müssen wir uns nur noch erfolgreich uplo-aden und das Leben als Chip kann beginnen. Die Verwirklichung des Chip-Gehirns in 20 bis 30 Jahren hält Kosko für wahrscheinlich, ab dann sind Chips unser Schicksal und unser Weg in die Zukunft ungewiss bzw. unscharf. A. A.

Bei Amazon kaufenKosko, Bart: Die Zukunft ist fuzzy. Unscharfe Logik verändert die Welt. München (u. a.): Piper, 2001. 444 S., € 22,90 / DM 44,- / sFr 39,60 / öS 321,-