Katrine Marçal

Die Mutter der Erfindung

Ausgabe: 2023 | 1
Die Mutter der Erfindung

Manch einer glaubt, Elon Musk hätte das Elektroauto erfunden. Das ist weit gefehlt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag der Marktanteil von Elektroautos in Europa bei einem Drittel und in den USA sogar noch höher. Doch sie verschwanden vom Markt und der Verbrennungsmotor setzte sich durch. Warum?

In ihrem Buch „Die Mutter der Erfindung. Wie in einer Welt für Männer gute Ideen ignoriert werden“ geht Katrine Marҫal der These nach, dass entgegen dem Glauben an die Durchsetzungskraft innovativer Ideen, historisch und aktuell viele Verbesserungen nicht oder erst später umgesetzt werden, weil sie durch gängige Vorstellungen von Männlichkeit aufgehalten oder ausgebremst werden.

Über scheinbare Annehmlichkeiten und systematische Ausbremsung

Warum also setzte sich das Elektroauto Anfang des 20. Jahrhunderts nicht durch, obwohl es die sicherere, sauberere und zuverlässigere Technologie war? Diese „Annehmlichkeiten“ waren für das „schöne Geschlecht“ gerade recht (wenn es schon mobil sein musste), aber für einen richtigen Mann war das nichts. Als Draufgänger riskierte er lieber bei jedem Anlassen „einen Nahkampf mit einem schwergewichtigen Gegner“, der durchaus tödlich enden konnte (S. 43f.), als sich in ein Frauenmobil zu setzen. Hundert Jahre später bestand Musks Leistung also nicht in der Erfindung des Elektroautos, sondern in der Neu-Definition des Elektroautos als Ausdruck von Männlichkeit.

Dies ist nur eins der – teils erstaunlichen – Beispiele, die Katrine Marҫal in ihrem Buch ausführt. Marҫal vermittelt ihre Argumente in einer klaren Struktur und mit einem Blick für Details. Ihre Beobachtungen zeigen, wie Innovationen, die als weiblich gelten, in unserer Welt systematisch ausgebremst werden. Teils historisch bedingt, wie die Verbindungslinie von der Finanzierung des Walfangs im 19. Jahrhundert zu heutigen risikokapitalfinanzierten Startups aufzeigt, teils in unseren Glaubenssätzen verankert („Technologische Innovation ist bedeutender als soziale Innovation“), aber in erster Linie: menschengemacht (S. 196).

Ein Appell, die Welt zu gestalten, ohne Menschen auszuschließen

Im abschließenden Kapitel formuliert Katrine Marҫal ihren Appell, die Welt zu gestalten und dabei keinen Menschen aus dem Innovationsprozess auszuschließen, schlicht, weil wir es uns nicht leisten können, ihr geistiges Potential ungenutzt zu lassen.