Die Kreative Revolution

Ausgabe: 2009 | 2

In der Wissensgesellschaft angekommen, erleben wir heute das Ende des Industriekapitalismus, der v. a. seit dem Zweiten Weltkrieg wesentlich zu Wohlstand und Wirtschaftswachstum beigetragen hat. Die Organisationsform der Wissensgesellschaft ist bzw. wird die „Creative Economy“, die „mit Ideen statt mit immer mehr vom Gleichen Geld verdient“ (S. 16). Der international bekannte Wirtschaftsjournalist und Redakteur beim Wirtschaftsmagazin „brand eins“, Wolf Lotter, postuliert und beschreibt die schon erkennbaren Ansätze dieser kreativen Revolution, die mitten in der Wirtschaftskrise Raum schafft für kreative Erneuerung. Mit Ideen sei künftig mehr zu verdienen als mit Produkten, ist Lotter überzeugt und ergänzt, dass Werte wie Herzensbildung, Schöpfungskraft und Gerechtigkeitssinn in Zukunft maßgeblich zum Erfolg von Unternehmen beitragen werden.

 

Der Autor folgt dem Leitspruch: Verlasse die Welt besser, als du sie vorgefunden hast. Das sei auch ein altes unternehmerisches Prinzip gewesen, das wir wiederentdecken müssten. Und deshalb kommen zu den Grundbedürfnissen der Menschen, die heute bei uns weitestgehend gedeckt sind, neue Bedürfnisse nach bestimmten Werten hinzu, die immer wichtiger werden. Bei dieser Revolution gehe es nicht mehr um höchste Profite und Macht, sondern um die besten Ideen und um eine Wirtschaft von Menschen für und nicht auf Kosten von Menschen. Kritikern, die seine Ideen als träumerisch bzw. esoterisch abtun, begegnet Lotter relativ gelassen, indem er auf die Phantasiewirtschaft verweist, die die Finanzkrise verursacht hat. Die reale Wirtschaft finde hingegen immer noch bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen statt und dort sind kreative Ideen und neue Werte gefragter denn je. (vgl. Video e. Veranstaltung mit dem Autor in der Steirischen Wirtschaftskammer auf wko.tv/play.aspx= 1316.)

 

Lotter lässt im vorliegenden Essay zur „Ideenwirtschaft“ und zum Unterschied von „alter“ und „neuer“ Wirtschaft insgesamt sechs Vertreter der Kreativwirtschaft und Kreativitätsforschung zu Wort kommen (u. a. Gesa Ziemer, Matthias Horx, Dieter Gorny u. Peter Felixberger), die in ihren Beiträgen Standpunkte und Standorte vermitteln. Lotter und seine Mitautoren glauben, dass es die immer gleichen, phantasielosen Produkte in der Welt der Waren sind, die eine ernste Konsumkrise ausgelöst haben.

 

Wissen ist in der Wissensgesellschaft inzwischen beinahe ein inflationäres Gut geworden. Wussten Sie etwa, dass die schiere Menge an technischer Information sich alle zwei Jahre verdoppelt oder das die „zehn meistgefragten Berufe in den USA im Jahr 2010 – und das gilt analog auch für Europa – im Jahr 2004 noch gar nicht existierten?“ (S. 12) Zu viel Wissen wiederum trübe den kreativen Blick, meint Peter Felixberger, der zudem auf den Wettstreit unterschiedlicher Sichtweisen und die Entwicklung von Lösungen in Teams setzt.

 

Matthias Horx sieht wie der Herausgeber, dass wir dringend mehr Kreativität statt „Mehr-vom-Gleichen“, immer mehr Immaterielles statt Dingliches brauchen. Nun, in Zeiten der Wirtschaftskrise und des überall feststellbaren Konsumrückgangs kann man das leicht behaupten, und auch die Aussage „Die Ära der lebenslang Angestellten ist vorüber“ (S. 40) ist keineswegs neu und – für immer mehr Menschen Realität. Für den Trendforscher schlägt nun die Stunde des „Creative Man“ und der „Creative Woman“. Wie immer bei solchen Trendprognosen hat die Zukunft schon begonnen (wie Robert Jungk bereits 1952 einen seiner Bestseller titelte) und es ist höchste Zeit, kreativ zu werden, um die Herausforderungen zu meistern. Na dann mal los, versuchen wir, dieser Binsenweisheit gerecht zu werden. A. A.

 

Lotter, Wolf: Die Kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus? Hamburg: Murmann-Verl., 2009. 177 S., € 18,- [D], 18,50 [A], sFr 29,70

 

ISBN 978-3-86774-062-3