Michael Knoche

Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft

Online Special
Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft

Der Kommunikationswissenschaftler Michael Knoche war bereits 2016 in unserer Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ) zu Gast, um im Zuge der Veranstaltungsreihe „Montagsrunde“ das Konzept Open Access kritisch zu reflektieren. Nun spricht er in seinem neuesten Buch über „Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft“.

Laut Knoche haben Bibliotheken eine Hauptaufgabe: sie tragen die gesellschaftliche Verantwortung für die Verfügbarkeit von Wissen. Um diese Funktion heute und zukünftig zu erfüllen, müssen vernetzte Sammlungen aufgebaut werden, die aus analogen und digitalen Publikationen zusammengesetzt sind. Die Vielzahl an Einzelbibliotheken muss zu einem kooperierenden Bibliothekssystem weiterentwickelt werden, das Arbeitsteilung und Spezialisierung ermöglicht (vgl. S. 9ff.). Der Autor bezieht sich in seinen Ausführungen auf das deutsche wissenschaftliche Bibliothekswesen und bemängelt eine fehlende nationale Bibliothekspolitik, die notwendige Anpassungen durch Nichtstun verhindert. Als unerledigte Aufgabe benennt er unter anderem eine Langzeitarchivierung der digitalen Medien, eine Strategie zur Retrodigitalisierung, wie auch eine koordinierte Archivierung der gedruckten Überlieferung und Pflege der Originale (vgl. S. 121).

Knoche widmet sich auch der Frage, ob für reale, stationäre Bibliotheken überhaupt noch eine Existenzberechtigung besteht und pointiert: „Die Menschen kommen heute aus anderen Gründen in die Bibliothek als früher, weil ein großer Teil ihrer Informationsbedürfnisse durch das Web und die Mobilgeräte erfüllt werden kann. Aber die Welt des Wissens lässt sich nicht ausschließlich auf einem Tablet organisieren. Sie hat noch andere Dimensionen, auch kognitive und soziale Komponenten. (...) Der reale Ort der Bibliothek bleibt, unabhängig von den Medien, die er zugänglich, und jenseits der Begegnungen, die er möglich macht, bedeutungsvoll als ein öffentlicher Ort des Denkens.“ (S. 118) Diese Beobachtung lässt sich einfach auf die JBZ übertragen, die nicht nur zukunftsrelevante Informationen sichtet, sammelt und analysiert, sondern immer auch Begegnungsraum für Debatten ist. Im Sinne des Gründungsvaters Robert Jungk will das Institut „Betroffene zu Beteiligten machen“. Es ermöglicht den freien Zugang zu Wissen in Form von Büchern und Zeitschriften, bietet mit Vorträgen die Ausgangslage für informierte Diskussionen und den Aufbau eines persönlichen Netzwerkes, und schließlich ist es eben seit 1985 auch ein öffentlicher Ort des Denkens.

Die Einschätzungen im Buch betreffen, wie erwähnt, die wissenschaftliche Bibliothekslandschaft Deutschlands, können aber in weiten Teilen und nicht zuletzt für die JBZ in Salzburg als allgemeine Diskussions- und Reflexionsgrundlage dienen: „In einer Bibliothek werden Beziehungen zwischen Menschen und Publikationen, zwischen Publikationen und Publikationen und zwischen Menschen und Menschen gestiftet. Eine Bibliothek ist weder reiner Treffpunkt noch reines Medienhaus, sondern das Geflecht dieser Bezüge.“ (S. 114)