Peter D. Ward ist einer der bekanntesten Geologen weltweit. Er weiß über Klimaveränderungen der Vergangenheit Bescheid und nutzt dieses Wissen, um ein Bild unserer Welt für die Jahre 2050, 2100 und darüber hinaus zu zeichnen. In Die große Flut skizziert der Professor für Earth and Space Science an der University of Washington in Seattle Zukunftsszenarien für die Welt des 21. Jahrhunderts im Kontext der globalen Erwärmung. Im Zentrum steht der zu erwartende Anstieg der Meere und wie dieser die Festlandgeografie verändern wird. Ward in der Einleitung: „Als Geologe kann man nicht umhin, sich angesichts der Zeichen der Zeit und der Prognosen des IPCC an Ereignisse aus der Erdgeschichte ´erinnert´ zu fühlen: Steigende Kohlendioxidwerte und Temperaturen, kollabierende Eisschilde und steigende Meere sind nichts Neues, aber die Geschwindigkeit, mit der dies passiert, ist einzigartig.“ (S. 8)
Wertvolle Ergänzungen zu Europa
Viele der Ausführungen beziehen sich auf die USA. Christoph Hirsch, ebenfalls Geowissenschaftler, hat für die deutsche Ausgabe jedoch wertvolle Ergänzungen zu Europa beigefügt. So beginnt das Buch mit einem Szenario „Hamburg, 2095, CO2 bei 780 pm“: Die Stadt ist zweigeteilt. Der Anstieg des Meeresspiegels und damit auch der Elbmündung überflutete ganze Stadtteile. Große Summen waren in bessere Deiche investiert worden, doch am Ende vergeblich. Letztlich drang das Wasser vor in die unterirdischen Räume der lebenswichtigen Infrastrukturen: Stromleitungen, Kanalisation und U-Bahnen.
Die Ursachen des prognostizierten Anstiegs des Meeresspiegels sind bekannt: die Eisschilde der Arktis und Antarktis schmelzen ab; das sich erwärmende Meerwasser dehnt sich aus. Ward und sein Kollege sind verwundert über das zögerliche Reagieren der Weltgemeinschaft: „Aktuell bringt Corona die reichsten und mächtigsten Länder in Bedrängnis. Doch die Pandemie ist nichts im Vergleich zu dem, was der Klimawandel mit sich bringen wird.“ (S. 16) Nach einer 2020 veröffentlichten Studie zu den IPCC-Szenarien könnte der Meeresspiegelanstieg bis 2100 im Worst Case um 1,3 Meter und bis 2300 auf über 5 Meter ansteigen. Die schnellen, nicht linearen Prozesse würden in den Szenarien schwer abbildbar und Quantifizierungen daher schwierig sein, doch gewiss sei das Potenzial, das im noch vorhandenen Eis steckt, so Ward: „Ein vollständiges Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes würde den Meeresspiegel um 7 bis 8 Meter anheben, ein Abschmelzen der Westantarktis ebenso.“ (S. 58)
In acht Kapiteln zeigt das Buch, wie sich das Klima erdgeschichtlich und seit der industriellen Revolution verändert hat. Es werden die Folgen des Abschmelzens des Polareises skizziert und was dies für küstennahe Regionen und Städte bedeuten würde. „Was passiert mit Bangladesch?“ oder „Venedig dem Untergang geweiht?“ – so einige der Kapitelüberschriften. Die Entwicklung der Treibhausgasemissionen wird der steigenden Bevölkerung gegenübergestellt, das Problem dabei aber bei den Wohlstandsländern ausgemacht. Es wird gefragt, wie sich die globale Erwärmung auf die weltweite Ernährungssituation auswirkt und wie die Artenvielfalt weiter dezimiert werden wird. Dramatische Folgen seien zu befürchten. In die Kapitel eingewobene Zukunftsszenarien beim Anstieg der Treibhausgase über ein tolerierbares Maß veranschaulichen, was der in geologischen Zeitmaßen gerechnet rasche Klimawandel real bedeuten wird. Beklemmend wirken etwa die Prognosen zum Ernährungssystem, das grundlegend umgestellt werden muss. Ein Fünftel des gesamten US-amerikanischen Energieverbrauchs geht derzeit in das Ernährungssystem, so Ward. „Der gesamte Energiebedarf für die Düngung mit einer 1 Tonne Stickstoff einschließlich Herstellung, Transport und Ausbringung entspricht dem Energiegehalt von 2 Tonnen Erdöl.“ (S. 113). Die sogenannte „Grüne Revolution“ stoße an ihre Grenzen, weil die Böden ausgelaugt sind und die Klimazonen sich weiter verschieben werden. Bedenkenswert ist auch der Abschnitt über die „Ökonomie des Klimawandels“ (S. 190ff.), in dem die bisherigen und prognostizierten Kosten durch zunehmende Naturkatastrophen beziffert werden: 210 Milliarden Dollar waren es 2020 laut Münchner Rückversicherung (S. 191).
Mögliche Auswege aus der Klimakrise
Schließlich werden mögliche Auswege aus der Klimakrise skizziert. Hinsichtlich Geoengineering und Solar Radiation sind die Autoren skeptisch – teuer, riskant; die CO2-Aufnahmepotenziale durch Aufforstung seien zu nutzen; schlussendlich gehe es aber darum, mit dem verbleibenden CO2-Budget von etwa 500 Milliarden Tonnen auszukommen.
Mit drei Szenarien endet der Band: Die Prognosen erweisen sich als falsch, dann würden Bücher wie dieses „Zielscheibe des Spotts“ (S. 224); das Eis beginnt zu schmelzen und wir kümmern uns rechtzeitig, um einen Zivilisationskollaps zu vermeiden; es kommt alles, wie hier beschrieben. Ein warnendes, aufrüttelndes Buch, das Zusammenhänge gut erklärt.