Andreas Jäger

Die Alpen im Fieber

Ausgabe: 2022 | 2
Die Alpen im Fieber

Wer noch immer am menschengemachten Klimawandel zweifelt, dem sei das Buch Die Alpen im Fieber empfohlen. Doch auch für all jene, die gut verständlich erfahren wollen, wie Wetter und Klima zusammenhängen, wie sich das Klima immer wieder verändert hat und – vor allem – wie sich der Klimawandel von heute von früheren Klimaveränderungen unterscheidet, wird in diesem reich bebilderten Buch fündig. Im Zentrum stehen dabei die Alpen, an denen sich viele Aspekte des Klimawandels ablesen lassen. „Die Alpen sind das Buch, in das das Klima seine Launen mit den fettesten Lettern geschrieben hat“ (S. 5), meint der Autor Andreas Jäger, österreichischer Radio- und Fernsehmeteorologe des Österreichischen Rundfunks.

Klimawandel einfach erklärt

Gleich in der Einführung entkräftet Jäger Einwände wie „Das Klima hat sich doch immer schon geändert“ oder „Nicht der Mensch – die Sonne macht den Klimawandel“. Man könne viel aus der Geschichte lernen, um die heutigen Gefahren des Klimawandels richtig einzuschätzen. „Das Klima hat sich schon immer schleichend gewandelt, aber ein derart rasanter Wandel, wie wir Menschen ihn derzeit der Erde aufzwingen, wird nicht ohne dramatische Folgen bleiben“ (S. 13), so Jäger. Die Wirkung der ansteigenden Treibhausgase übertreffe die Sonnenschwankungen bereits um mehr als den Faktor 10: „Die Wahrheit also: Die Sonne hatte ihren Anteil an der Erwärmung, ist aber seit 60 Jahren aus dem Spiel - wir sind am Drücker, ob es uns gefällt oder nicht.“ (S. 15) Dem Argument, dass Warmzeiten in der Geschichte immer Zeiten der Prosperität gewesen seien, stimmt der Meteorologe zu – die Hochblüte des Römischen Reichs beispielsweise fällt mit einem Klimaoptimum zusammen. Doch heute gehe es um etwas anderes: „Wir drohen von einer fruchtbaren Warmzeit in eine in der Menschheitsgeschichte noch nie erlebte ‚Heißzeit‘ zu stürzen.“ (S. 16) Ernteausfälle in den heute fruchtbaren Regionen könnten nicht oder nur bedingt durch neue Ackerböden weiter nördlich ausgeglichen werden. Das Problem sei die Sonne: „Sie steht im Norden – auch im neuen Klima – für reiche Ernten zu flach am Himmel.“ (S 17) Die Übersäuerung der Meere durch einen zu hohen CO2-Gehalt werde zudem die Fischgründe weiter dezimieren. Ein Problem, weil immerhin 3,1 Milliarden Menschen ihren Proteinbedarf zu mindestens 20 Prozent mit Fisch und Meeresfrüchten decken (ebd.).

Im ersten Abschnitt spürt Jäger der frühen Klimageschichte der Alpen und deren Formung durch die Eiszeiten nach. Er kommt auf die Bedeutung der Gletscher als „Baumeister unserer Wasserparadiese“ (S. 77) ebenso zu sprechen wie auf die fruchtbaren Lössböden, die wir der Eiszeit verdanken. Danach werden die frühen Hochkulturen mit dem Übergang zum Ackerbau, der Aufstieg und Fall des römischen Reichs, die Völkerwanderungen und das karge Leben in den Alpentälern in der 400 Jahre dauernden kleinen Eiszeit ab dem 15. Jahrhundert mit den spezifischen Klimaveränderungen in Beziehung gesetzt. Im letzten Abschnitt widmet sich Jäger dem aktuellen Klimawandel und seinen Folgen für das Leben und Wirtschaften sowie den Tourismus in den Alpen. Vier gefährliche Kippsysteme beschreibt Jäger: die schmelzenden Eisschilde, die sich abschwächende Tiefenwasserzirkulation im Atlantik, die die Temperaturen in Europa um bis zu fünf Grad senken könnte, das Auftauen der Permafrostböden und das teilweise Absterben und Verlagern der borrealen Nadelwälder. Letzteres werde auch die Flora und Fauna der Alpen stark verändern. Borkenkäfer breiten auch aus, Zecken wandern in höhere Lagen, so nur ein Beispiel.

Wie wir aus der prekären Situation wieder herausfinden können

„Wie wir aus dem Schlamassel herauskommen“ ist Thema des letzten Kapitels. Jäger fordert nicht weniger als eine Mammutaufgabe: die drastische CO2-Reduktion („Eine Halbierung der heutigen Emissionen alle 10 Jahre bis 2050 drückt die Emissionen auf 12,5 Prozent.“ S. 233). Er thematisiert die Rolle der Wälder als CO2-Senke und zugleich als Gefahrenherd für steigende Waldbrände sowie die Hoffnungen auf Pflanzenkohle und technologische CO2-Abscheidung, die er nicht grundsätzlich ablehnt. Mit dem Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber plädiert der Autor für das verstärkte Bauen mit Holz. Bis 2060 soll sich der aktuelle Gebäudebestand verdoppeln. Wird weiterhin mehrheitlich mit Stahl, Beton und Ziegeln gebaut, bedeute dies zusätzliche 71 Gigatonnen Kohlenstoff, würden 90 Prozent der Bauten mit Holz errichtet, würde das 75 Gigatonnen einsparen (S. 238f.).