Naomi Klein hat - man kann es nicht anders sagen - ein geschwätziges Buch geschrieben. Es ist wie in der Musik: zu viele Wiederholungen langweilen. Spätestens bei der dritten oder vierten Geschichte, die möglicherweise woanders spielt, wo andere Namen, andere Organisationen, andere Umweltprobleme aber auf die immer gleiche Art abgehandelt werden, hat die geneigte Leserin, beim vierten oder fünften Mal auch der letzte Leser das Mantra von Naomi Klein verstanden: die (bevorzugt indigenen) AktivistInnen, die wahlweise ihr Land, ihren Glauben, ihre Traditionen etc. verteidigen oder bewahren wollen, sind die Guten, und die Firmen (bevorzugt Großkonzerne), zumeist in Allianzen mit dunklen staatlichen Mächten auftretend, sind die Bösen. Wenn´s nur so einfach wäre, Frau Klein. So einfach ist es übrigens auch früher nie gewesen.
Naomi Klein - und das ist die vielfach variierte Kernbotschaft des Buches - stellt den "Klimawandel als Kampf zwischen dem Kapitalismus und der Erde" dar (S. 35). Das Versprechen allerdings, dass "dieses Buch eine andere Strategie" vorschlägt, nämlich "im großen Maßstab (zu) denken, ganz tief unten an(zu)setzen und die ideologischen Pfähle weit weg vom erdrückenden Marktfundamentalismus" einzuschlagen (S. 39) wird nicht einmal ansatzweise eingelöst, leider. Stattdessen finden sich auf dem langen Weg durch die vielen Seiten viele Plattitüden ("Diese Haltung beruht auf dem einfachen Grundsatz, dass es an der Zeit ist, mit dem Ausgraben von Giften aus der Tiefe Schluss zu machen..." (S. 369) und, höflich ausgedrückt, hinterfragbare Behauptungen (so beispielsweise, dass Bolivien und Ecuador "vorurteilslose Gesetze" hätten, was immer das auch sein mag (S. 454)). Dass Klein die Qualität und Wertigkeit der vielen Informationen und Zitate - von "persönlichem Emailverkehr" bis zu IPCC-Berichten nicht differenziert, legt den Verdacht nahe, dass sie im Buch als gleichwertig verwendet werden, was massiv angezweifelt werden darf. Nebenher, und ohne dass klar wird, was das mit dem (vorgeblichen?) Thema und Anliegen des Buches zu tun haben könnte, schildert Naomi Klein noch ihre (durchaus betroffen machende) Gesundheitsgeschichte. Auch diese aber leider wieder sehr emotional und wenig differenziert ("In den labyrinthischen Räumen eines Bürogebäudes in der Innenstadt wurden Medikamente, Hormone und ambulante Operationen so großzügig verteilt wie Zahnbürsten beim Zahnarzt." (S. 505)), sodass man schwer erkennen kann, was in dem Wust aus Geschichten, Aussagen und Behauptungen tatsächliche, glaubwürdige Information (und letztlich Fakt) ist.
Zeit für das Unmögliche
Ermattet gelangt man schließlich zu einem Kapitel, das mit "Schluss - Schaltjahre: Gerade noch genug Zeit für das Unmögliche" überschrieben ist. Hier, so hofft man, finden sich nun endlich jene versprochenen Maßnahmen und Strategien, die etwas ändern könnten. Doch, leider, vergeblich war die Hoffnung. Auch hier wieder Sprechblasen wie etwa "der nächste historische Augenblick muss genutzt werden, die Welt, wie sie ist, anzuprangern und temporäre Nischen, befreite Zonen zu schaffen"
(S. 560), und nicht der Ansatz umsetzbarer Strategien oder Maßnahmen. Spätestens hier ist wirklich Schluss, denken sich enttäuschte LeserInnen.
Um aber nicht gar zu unversöhnlich ins Gericht zu gehen mit diesem sichtlich von Überzeugung und Engagement getragenen Buch sei angemerkt, dass vieles darin durchaus interessant ist und weite Passagen mit Gewinn gelesen werden können, vor allem, wenn man sich für die Umwelt- und Naturschutzkonflikte in den USA und Kanada interessiert. Gunter Sperka
Klein, Naomi: Die Entscheidung - Kapitalismus vs. Klima. Frankfurt/M.: S. Fischer, 2015. 698 S., € 26,99 [D], 27,80 [A] ; ISBN978-3-10-002231-8