Der Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann zeichnet in seinen Darstellungen alttestamentarischer Frauengestalten den Archetypus der Frau: als Hüterin des Lebens, der Weisheit, des auf den ersten Blick Unsichtbaren. Er entwirft ganz- bzw. menschheitliche Bilder von Religion, in deren Mittelpunkt Frauen stehen: sei es Thamar, die Liebe wie Tod, Verheißung wie Schuld, Aufstieg wie Fall im Leben der Söhne Judas verkörpert, sei es die Dirne Rachab, die heilige Spionin. Die Geschichten dieser Frauengestalten verbindet Drewermann mit literarischen Belegen, etwa dem Joseph-Roman von Thomas Mann und Brechts "Mutter Courage". Die Frage nach dem Weg zu Frieden und Heil können die großen Führer und Wegweiser der Geschichte damals wie heute nicht beantworten; die "richtige" Macht ist noch immer nicht entdeckt, unzählbare tote arabische Frauen und Kinder sind der Preis der „neuen Weltordnung" am Golf. Der Weg zum Heil-Werden des Menschen ist es, durch die "Jahrtausende immer erneut Erbarmen und Geduld zu üben, und, ohne gewaltsam einzugreifen, den Menschen auf seinem Weg durch die Geschichte zu begleiten, ihn nicht zu verschrecken und zu verängstigen, sondern durch Güte zu beruhigen". Diese Güte findet der Theologe in den scheinbar unbedeutenden Frauengestalten, die die Bibel im Buche Ruth und am Anfang des Matthäusevangeliums versammelt Diese Figuren könnten dann zu aktivierenden Beispielen werden, wenn Stifters "sanftes Gesetz" zur Wirkung kommt: das Große im scheinbar Verborgenen und Unbedeutenden zu sehen, Gott darin zu entdecken. Urmenschliche Mütterlichkeit sei eine Lesehaltung, die die Bibel erfordere; will man aus ihr verborgene Zeichen und Dokumente von Gottes Zorn und Langmut herauslesen. C. F.-R.
Drewermann, Eugen: Die Botschaft der Frauen. Das Wissen der Liebe. Olten (u.a.): Walter-Verl., 1992. DM 36,- / sFr 30,50/ öS 280,80