Laurie Penny

Bitch Doktrin

Ausgabe: 2018 | 2
Bitch Doktrin

Laurie Penny hat wieder zugeschlagen – die englische Autorin gilt als Aushängeschild des jungen Feminismus, deren Provokationen wortgewaltig daherkommen, denn: „Bitches get stuff done“ (S. 16).

Mit „Bitch Doktrin“ legt Penny eine lose Sammlung von Essays vor, die ein Konvolut an Themen ansprechen, einem zentralen Argument folgend: Das Patriarchat nimmt Frauen, People of Colour und Personen mit abweichender sexueller Identität Handlungsspielräume. Folglich muss der Status quo geändert werden, um eine gerechtere Welt zu schaffen – dies impliziert, dass privilegierte weiße Männer Macht verlieren (S. 50).

Ein besonderes Hindernis für Gleichstellung stellt die Mehrfachbelastung von Frauen dar, die zwischen Beruf und unbezahlter Sorgearbeit aufgerieben werden – während sich das Vereinbarkeitsthema den Männern gar nicht stellt (S. 68). Damit einhergehend entwickelt Penny einen kritischen Arbeitsbegriff – sie lehnt das kapitalistische Narrativ, dass Arbeit befreiend oder ermächtigend sei, ab. Natürlich haben Menschen nicht die freie Wahl, ob sie arbeiten oder nicht; gleichzeitig wird Arbeit ein zunehmend rares Gut; oft prekarisiert und ausbeuterisch. Ein grundlegendes Überdenken des Konzepts „Arbeit“ ist ein Ziel für die gesamte Gesellschaft.

Autonomie der Frauen

Laurie Penny unterstützt in ihren Essays eine Reihe von unpopulären Maßnahmen. So ist sie eine Befürworterin von Quoten. Dem Argument, dass Quoten erfolgreiche Frauen herabsetzen würden, kann sie nichts abgewinnen – tatsächlich scheint es eher so, dass es oft reicht, ein Mann zu sein, um sich für einen Posten zu qualifizieren: „In einer idealen Welt wären Quoten überflüssig. In einer idealen Welt, einer echten Leistungsgesellschaft, würden die fähigsten Menschen aufsteigen, und das brächte automatisch Vielfalt mit sich“ (S. 105). Auch den gesellschaftlichen Druck auf Mädchen, hübsch und angepasst zu sein, prangert Penny an. Besonders scharf werden aktuelle Tendenzen kritisiert, die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen einzuschränken: „Wir leben in einer Gesellschaft, die ‘Entscheidungsfreiheit‘ zum Fetisch erhebt und gleichzeitig der Hälfte der Bevölkerung die grundlegendste Freiheit überhaupt versagt: die Entscheidung über die Autonomie des eigenen Körpers“ (S. 194). Überhaupt Autonomie: Für Penny ist männliches Anspruchsdenken auf den weiblichen Körper die Wurzel jedweder Gewalt. Es gibt kein Recht darauf, Sex zu haben, auch wenn Zurückweisungen durch mögliche SexualpartnerInnen verletzend sein können. Zum Anspruchsdenken gehört auch der neue „Beschützerinstikt“ rechter PolitikerInnen, der heimische Frauen vor Migranten schützen will. Klar benennt die Autorin die zutiefst rückschrittliche Frauenpolitik dieser Parteien, die Feminismus dann vorschützen, wenn es um Ausgrenzung Fremder geht (S. 220f.).

Laurie Penny diagnostiziert viele Rückschläge für den Feminismus, aber nicht nur: Dass Frauen erstmals systematisch an die Öffentlichkeit gehen und über erlebte sexuelle Gewalt sprechen, dass Diskriminierungserfahrungen überhaupt Gesprächsstoff sind, sind ungeheure Fortschritte. Gleichzeitig kann man der Autorin den Vorwurf machen, nur einer Seite zuzuhören: Dass auch Männer unter Zwang und Druck stehen, Rollenerwartungen auszufüllen, lässt Penny mit Hinweis auf männliche Privilegien nicht gelten. Hier gibt es noch Diskussionsbedarf.