Der Tod der Muße

Ausgabe: 1992 | 1

Eine Entwicklung vom Einfachen zum Komplizierten, vom Lockeren zum Intensiven ist in fast jeder gegenwärtigen amerikanischen Freizeitbeschäftigung sichtbar - beim Radfahren, beim Rollschuhlauf, beim Schi-Langlauf, beim Segeln oder beim Surfen. Alle diese Tätigkeiten unterliegen einer offenbar unvermeidbaren Tendenz, Freizeitvergnügungen mit Zubehör und technischen Vorrichtungen komplizierter zu machen. Spiel erscheint so immer mehr als Arbeit. Unbeschwertes Herumspielen gibt es bei den meisten dieser pseudoprofessionellen „Entspannungen" nicht mehr, Verbesserung der Leistung und Steigerung der Effizienz stehen im Vordergrund. Diese Komplizierung der Muße geht einerseits auf entsprechende Marktstrategien der Hersteller zurück, hängt aber wohl auch mit der typisch amerikanischen Faszination durch Technik zusammen. (RusseIl Baker macht in seinem Artikel „Hear American Listening" - New York Times vom 2. Nov. 1991, S. 23) eine parallele Beobachtung: früher sangen die Leute selber, aber heute sind die Amerikaner nur noch Zuhörer der Musik, die aus japanischen Geräten kommt. Außerdem ist die zeitgenössische Musik viel komplexer und für das einzelne oder gemeinsame Singen oft zu schwierig.) (Übersetzung: W R.)

Rybczynsky, Witold: The Death of Leisure (Der Tod der Muße). In: The New York Times. 8. Okt. 1991, A 25.