Das zerrüttete Verhältnis von Menschen und Maschinen

Ausgabe: 1997 | 3

In der Figur des Odysseus sind Geschick und Kunstfertigkeit als auch List und Tücke erstmals gemeinsam verkörpert. Inzwischen hat sich, so vermutet Peter Brödner, Leiter der Abteilung Produktionssysteme am Institut Arbeit und Technik des Wissenschaftszentrums Nordrhein-Westfalen, der Mensch aber durch den unerschütterlichen Glauben an die Potenz seiner "Machenschaften" selbst überlistet und zum Gefangenen des eigenen Tuns gemacht. Anhand empirischer Befunde zeigt der Autor den unproduktiven Einsatz technischer Artefakte, insbesondere das Produktivitätsparadox der Informationstechnik, und versucht, die Gründe für diese Produktivitätseinbußen zu analysieren. Die Krise technischen Handelns weist für ihn auf die tieferliegende Krise der rationalistischen Tradition. Euphorische Stimmung zu Beginn einer technischen Entwicklung - Brödner zeigt dies anschaulich an geschichtlichen Beispielen (Platon, Atomenergie, Fabrik  2000) - "benebelt" den Verstand der Beteiligten und verhilft ihnen zu kollektiven "Wahnvorstellungen von schrankenloser Machbarkeit und umstandsloser Wünschbarkeit". Ausgeblendet bleiben dabei nur zu oft Risiken, Nebenwirkungen und inhärente Schwierigkeiten. Als Folge erweist sich Technik dann oft nicht als Lösung, sondern als Teil des Problems. Anhand der Informationstechnik zeigt der Autor, daß die Schere zwischen (versteckten) Kosten und (vermeintlichen) Nutzen immer weiter auseinanderklafft. Der Umgang mit Informationstechnik ist seiner Ansicht nach vielfach wenig produktiv und wenig anwenderfreundlich. Den Ausweg sieht er in einer handlungsorientierten Theorie der Technik, die von den Spezifika humaner Eigenschaften und menschlicher Lebenspraxis ausgeht. Es genügt dabei nicht, das Augenmerk auf die Entwicklung aufgabenangemessener und benutzergerechter technischer Artefakte zu legen. Die entscheidende Erfolgsbedingung sei hingegen die reflexive Vermittlung von Gestaltung und Aneignung. Die vorgeschlagene neuartige technische Praxis macht sich neue technische Möglichkeiten zunutze, ist also nicht technikfeindlich. Vielmehr eignen sich die Protagonisten einer "humanen Technik" die neuen technischen Möglichkeiten in einer "an konkreten Nutzenvorstellungen orientierten und die praktischen Schwierigkeiten reflektierenden Perspektive" an. A. A.

Brodner, Peter: Der überlistete Odysseus. Über das zerrüttete Verhältnis von Menschen und Maschinen. Berlin: Ed. Sigma, 1997.358 S. (Edition Sigma Signaturen; 1)