Moralische Appelle haben den Stil der alternativen Bewegung seit dem Ende der 1970er-Jahre geprägt. Dabei war allen Beteiligten bald klar, dass die Umsetzung der Weltverbesserung auch mal ganz einfach funktionieren muss. Und schon begann ein Prozess der Anpassung der Forderungen an das Vorhandene. Doch dadurch, dass der Statusquo als Ausgangspunkt akzeptiert wurde, verlor man die Kraft, darüber hinaus zu verweisen. Wenn man aber wirklich irgendetwas besser, zum Beispiel ökologischer oder sozialer machen wollte, funktionierte das auch. Wenn man nur nicht mitsamt dem ganzen Status quo unterging! Das Buch „The Darwin Economy“ ist für diejenigen Weltverbesserer nützlich, die genau wissen wollen, was innerhalb des bestehenden Systemverbessert werden kann – nennen wir sie Statusquo- Tüftler. Robert H. Frank ist Professor für Ökonomie an der Cornell´s Johnson Graduate School of Management, er schreibt regelmäßig in den New York Times. In seinem Buch geht es um „Behavioral Economics“. Dabei werden die Verhaltensgrundlagen studiert, mit denen Menschen am Wirtschaftsleben teilhaben. Wie ticken die Menschen? Frank lässt in seinem Buch Adam Smith gegen Charles Darwin antreten. Das ist reichlich überraschend, schließlich hat Darwin die natürliche Selektion und nicht Ökonomie studiert. Doch Frank übersetzt Darwin für seine wirtschaftswissenschaftlich trainierten Leser. Darwin habe entdeckt, dass es einen systemischen Defekt in der wirtschaftlichen Wettbewerbsdynamik gebe. Dabei geht es eingangs um Überraschendes, nämlich die Geweihe der männlichen Elche. Diese wurden über Jahrhunderte immer größer, sie waren entscheidend beim Kampf um den Zugang zur Elchkuh. Nun zeigt Frank aber, dass in diesem Fall der Wettbewerb zu Nachteilen für die gesamte Gruppe geführt hat. Das große Geweih war äußerst unpraktisch in Wäldern und im Gebüsch, besonders wenn man es mit Wölfen zu tun hatte. Und selbst auf der Plusseite war für die Spezies nichts zu verbuchen: trotz des wettbewerbsbedingten Hochrüstens des Geweihs gab es nicht mehr Weibchen und folglich nicht mehr glückliche Elchbullen (S. 19 ff.). Frank im Originalton: „Yet Darwins understanding of the competitive process itself supports a profound measure of scepticism about market outcomes.“ (S. 22) Frank zieht daraus den Schluss, dass Wettbewerb schädlich sein kann, wenn um Ranggüter gestritten wird. Denn Ranggüter sind per Definition beschränkt, ein Hochrüsten führt nicht dazu, dass mehr erste oder zweite Plätze zu vergeben sind. Der Wettbewerb um das schönste Haus der Siedlung ist verschwenderisch, der Einsatz des einen neutralisiert den Einsatz des anderen. Begrenzungen beim Kampf um Positionsgüter sind folglich aus der Sicht der Gesellschaft vernünftig. Robert H. Frank kann – und das ist bemerkenswert – auf Grundlage eines methodischen Individualismus plausibel erklären, dass Markteinschränkungen in diesen Bereichen vernünftig für den Einzelnen sind. In der Folge weitet der Autor sein Argument aus, wobei er, wie erläutert, davon ausgeht, dass der Markt bei der Verteilung von Rangpositionen nicht funktioniert. Zeigen uns aber nicht wichtige Studien, dass unser Handeln in der Marktwirtschaft sich weniger an der eigenen konkreten SituaSituationsverbesserung orientiert, sondern vielmehr an relativen Positionen in der Siedlung, im Freundeskreis? Am teureren Auto, an teureren Möbelstücken? Frank kann jetzt leicht Position beziehen: Genau dieser Wettbewerb macht die Gesellschaft als Ganzes nicht glücklich, weil die Konkurrenzverhältnisse im Wesentlichen dieselben bleiben, sich höchstens anders verteilen. Um hier gegenzusteuern, plädiert der Autor für eine progressive Besteuerung von Konsum, die genau dieses Wettrüsten um relative Positionen in der Gesellschaft bremst. Die teuersten Distinktionsgüter sollen bis zu 100 Prozent besteuert werden. Franks Ansatz hat den Reiz, dass er ohne moralische Appelle auskommt und konkret wird. Er findet Stellen, an denen es realistisch scheint, Verteilungsgerechtigkeit und Marktfunktionen zu verbinden. Natürlich tüftelt er nur am Status quo herum. Aber man kann sagen, dass ja auch das verdienstvoll ist. S. W.
Frank, Robert H.: The Darwin Economy. Liberty, Competition, and the Common Good, Princeton und Oxford, Princeton University Press, 2011. 231 S., 18,95 USD, € 14,30; ISBN 978-0-691-15319-3