Crash statt Cash

Ausgabe: 2008 | 4

 Die Finanzmarktliberalisierung der letzten Jahrzehnte brachten entgegen allen Versprechungen nicht Wohlstand für alle, sondern ein Anwachsen der Kluft zwischen Reich und Arm sowie Instabilität, so eine der zentralen Thesen dieses Buches, das sich zum Ziel gesetzt hat , „die Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte, ihre problematischen Seiten sowie sinnvolle Lösungsvorschläge auf einem einfach zu verstehenden Niveau zu diskutieren“ (S. 8). Ein Anspruch, der – es sei gleich vorweg gesagt – bestens eingelöst wird. Der Band erschien Anfang August 2008 und konnte daher den Beinahe-Zusammenbruch der Börsen und die weitreichenden staatlichen Maßnahmen nicht mehr reflektieren. Umso erstaunlicher ist, dass die Krisen ziemlich gut vorausgesagt werden und zumindest einige der zahlreichen unterbreiteten Reformvorschläge nun offensichtlich aufgegriffen werden, etwa die Forcierung der Bankenaufsicht, andere harren freilich noch immer der Umsetzung, etwa die Unterbindung von Steueroasen oder die Eindämmung der Spekulation durch eine Steuer. Was die AutorInnen des Bandes diagnostizierten, ist mittlerweile zur Realität geworden: Der Glaube an die Selbstregulierungskräfte des Marktes und an die Effizienz liberalisierter Finanzmärkte wurde nachhaltig erschüttert. „Wurden die internationalen Finanzmärkte zu Beginn der Aktivitäten von ATTAC (vor 10 Jahren, Anm. d. Red.) noch mehrheitlich als Effizienz steigernde Rahmenbedingung für Politik und Wirtschaft gesehen, so werden sie heute immer öfters als Einschränkung nationalstaatlicher und internationaler Demokratie wahrgenommen, die die wirtschaftliche und soziale Stabilität gefährden.“ (S. 9) Ob dies längerfristig zu einschneidenden Maßnahmen führt, bleibt abzuwarten. Denn bisher haben Finanzkrisen (die Weltbank zählt 166 Finanzkrisen seit 1980) kaum zu konstruktiven Reformmaßnahmen beigetragen. Immerhin wird die Tobinsteuer (Steuer auf Spekulationsgeschäfte) von einigen Staaten der EU mittlerweile gefordert, was vor zehn Jahren noch belächelt wurde. Nun zu ausgewählten Beiträgen des Bandes. Christian Schoder (Volkswirt) und Sybille Pirklbauer (Politologin) erläutern zunächst die Grundfunktionen und Hintergründe der globalisierten Finanzmärkte. Sie zeigen, wie diese zunehmend zur sozialen Ungleichheit, zur Zerstörung der Umwelt und zur wirtschaftlichen Ineffizienz beitragen. Deutlich wird, dass die Finanzmärkte selbst zur Quelle von Profit wurden. Beleuchtet wird zudem die Rolle mächtiger Hedge- und Private- Equity-Fonds und die Bedeutung des Shareholder Values. Heute geht es nur mehr um kurzfristige Kurssteigerungen, Dividenden haben bei dieser Aktienkultur (Shareholder-Value) nicht mehr die Funktion, Signale für den Wert einer Aktie zu geben. Die freien Kapitalmärkte haben aber auch grundlegende Auswirkungen auf die Pensionssicherungssysteme in den Industrieländern, die vermehrt vom so genannten Umlageverfahren auf das Kapitaldeckungsverfahren umgestellt wurden. Private Pensionsbeiträge werden in großen Fonds auf den Finanzmärkten veranlagt und sind damit den Risiken des fragilen Finanzsystems ausgesetzt. Kritik an dieser Praxis kommt etwa vom Ökonomen David Muhm in seinem Beitrag, weil diese auf weniger gesellschaftlichem Ausgleich und vermehrter Risikoübernahme durch die Individuen beruht. (vgl. S. 138f.) Frédéric Lordon (Ökonom) kommt in seiner Analyse der Mechanik der Immobilienkrise zum (inzwischen schmerzlich verifizierten) Schluss, dass sich die anfangs noch eher dosierten Liquiditätshilfen seitens der US-Notenbank im Falle einer Ausweitung zur „Systemkrise“, der zu einem allgemeinen Crash der Finanzmärkte führt, eine massive Intervention des Staates unvermeidlich macht (vgl. S. 135).

Konkrete Lösungsvorschläge

Neben der berechtigen und fundierten Kritik werden schließlich „Wege aus der Krise“ aufgezeigt. Ausgehend von der Feststellung von Pirkelbauer/ Schoder, dass die Liberalisierung der Finanzmärkte die Krisen der letzen Jahre (Asienkrise 1998, Russland-Krise 1998) ausgelöst haben, lautet eine der zentralen Forderungen, die Finanzmärkte wieder auf ihre ursprünglichen Aufgaben zurück zu führen. „Demokratische Politik muss die Regeln für die Finanzmärkte bestimmen.“ (S. 38) Mögliche Lösungen umfassen ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die Bandbreite reicht von der Schließung der Steueroasen über eine Reform von Weltbank und Währungsfond, die Einsetzung einer EU-weiten Finanzmarktaufsicht, bis hin zur Genehmigungspflicht für Derivate, dem Verbot von Stock Options, der gleichmäßigen Besteuerung von Arbeit und Kapital sowie einer Tobin- Steuer auf internationale Finanztransaktionen oder grundsätzlich einer Börsenumsatzsteuer bzw. Steuer auf alle Finanztransaktionen. Nicht zuletzt wird der Umverteilung durch Steuern und der Wahrnehmung einer globalen Solidarität das Wort geredet. („Wege aus der Krise“ von Sybille Pirklbauer/ Christian Schoder). So enthält der Band auch eine ausgezeichnete Analyse über die Verschuldungsdynamik und ihre fatalen Auswirkungen für die Entwicklungsländer (Karin Küblböck/ Cornelia Staritz). Die Beiträge sind wirtschaftpolitische Aufklärung im besten Sinne des Wortes und bieten umfassende und verständliche Antworten auf viele Fragen im Zusammenhang mit der Finanzkrise. A. A.

 Crash statt Cash. Warum wir die globalen Finanzmärkte bändigen müssen. Blaschek, Beate … (Mitarb.). Wien: Verl. d Österr. Gewerkschaftsbundes, 2008. 194 S., € 19,90 [D], 20,50 [A], sFr 33,80 ISBN 978-3-7035-1348-0