Die Diktatur des Kapitals

Ausgabe: 2015 | 2

Eine überaus präzise und treffende Analyse des zügellosen Wirtschaftsliberalismus und dessen tägliche Auswirkungen hat der Wirtschaftshistoriker, Verlagsleiter und Autor Hannes Hofbauer vorgenommen. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die inzwischen weitgehend vollzogene Ablöse demokratischer Strukturen durch ökonomische Diktate seit den 1970er-Jahren. Hofbauer zeigt anhand einer Reihe von Fallbeispielen, wie sich die Banken und Konzerne unter dem Deckmantel des freien Marktes und der liberalen Demokratie Osteuropa nach der Wende 1989/90 unterwarfen. Es entstand ein „Kapitalismus (Regime) ohne Attribute“, ohne soziale, nationale und regionale Begleiterscheinungen.

Politische Interventionen, die diesem Treiben Einhalt gebieten hätten können, finden kaum mehr statt, so Hofbauer. Es sind aber ironischer Weise dieselben Kräfte, die „Politikmüdigkeit“ beklagen, die den Kanon der Alternativlosigkeit zur herrschenden Logik der Kapitalverwertung anstimmen (vgl. S. 7). Politische Gestaltungsoptionen in Europa werden nicht nur durch die Maastrichtkriterien beschnitten, sondern auch durch verschiedene Abkommen und Verträge - z. B. die sogenannten Investitionsschutzabkommen (auf Initiative der Weltbank 1966 in Kraft getreten, wodurch Investoren vor politischen Eingriffen geschützt werden), den EU-Fiskalpakt, den „Europäische Stabilitätsmechanismus“ oder neuerdings das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen TTIP -, die alle zur Machterweiterung der Banken und Konzerne führen.

Neben der ökonomischen Analyse untersucht der Autor, wer hinter dem Souveränitätsverlust steckt (Lobbyismus, Wirtschaftseliten wie „Council on Foreign Relations“ oder der „Europäische Runde Tisch“) und wo der Souveränitätsverlust wirklich stattfindet. Spätestens an dieser Stelle ist Hofbauers Kritik am positiven Image des Begriffs „Transparenz“ zustimmend hervorzuheben.   „Nicht zuletzt die Hoffnung auf eine bessere Welt, in der nicht gestohlen, betrogen oder missbraucht wird, lässt viele daran glauben, eine durchsichtige Gesellschaft - nichts anderes bedeutet ‚Transparenz‘ - würde eben das Böse sichtbar machen, um es in der Folge besser bekämpfen zu können. Daran stimmt gar nichts.“ (S. 209) Die lautstarke Forderungen nach Transparenz, hier ist sich Hofbauer mit dem deutsch-koreanischen Philosophen Byung-Chul Han einig, weist darauf hin, dass das moralische Fundament der Gesellschaft, umschrieben mit „Vertrauen“, brüchig geworden ist.

Interessant aus österreichischer Sicht ist ein kurzer Exkurs über die Pleite der Hypo Alpe Adria Bank. Die Geschichte der ehemaligen Kärntner Landesbank biete „ein ideales Sittenbild spätkapitalistischer Verhältnisse in Europa und steht paradigmatisch für deren gesellschaftliches Grundverständnis, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren“ (S. 75).

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf die Therapievorschläge, die im Vergleich zur treffsicheren Analyse nur vereinzelt zu finden sind. Bei Hofbauer hören wir die altbekannten Forderungen, politisch tätig zu werden und das Primat der Politik vehement einzufordern. Alfred Auer 

 Hofbauer, Hannes: Die Diktatur des Kapitals. Souveränitätsverlust im postdemokratischen Zeitalter. Wien: Promedia-Verl.-Ges., 2014. 240 S., € 17,90 [D], 18,40 [A] ; ISBN 978-3-85371-376-1