Miriam Meckel, Lea Steinacker

Alles überall auf einmal

Ausgabe: 2025 | 2
Alles überall auf einmal

„Everything Everywhere All at Once“ ist ein mehrfach Oscar-prämierter Film aus dem Jahr 2022, in dem, kurz zusammengefasst, sehr viel passiert. Miriam Meckel und Lea Steinacker bedienen sich der deutschen Übersetzung des Titels, um ein Buch über Künstliche Intelligenz zu präsentieren, denn: „Mit einem Entwicklungsschub seit 2017 hat sich das Feld der Künstlichen Intelligenz über die großen Sprachmodelle wie ChatGPT von OpenAI, Bard von Google oder Claude von Anthropic zu einer Allzwecktechnologie entwickelt. Dies eröffnet ein Multiversum an Perspektiven und Möglichkeiten, so wie auch der preisgekrönte Film sie uns zeigt“ (S. 11).

Die Autorinnen möchten mit ihren Ausführungen jenen Hilfestellung bieten, die gerade erst beginnen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, gleichzeitig bereits Informierte inspirieren und weitere Denkanstöße bieten. Das gelingt ihnen wahnsinnig gut. „Alles überall auf einmal“ ist ein zugänglicher Band, der Überblick bietet und den aktuellen Stand von K.I.-Entwicklung und -Forschung aufbereitet. Es lohnt diese populärwissenschaftliche Einladung anzunehmen, um sich Basiswissen anzueignen oder zu ergänzen, denn: „In der Verschmelzung von Film und Realität, von Theorie und Praxis [...] liegt eine Zukunft, in der Grenzen zwischen Mensch und Maschine, zwischen Erfindung und Erfinderin, immer mehr verschwimmen. Es ist eine Zukunft, in der endlose Möglichkeiten, die vor uns liegen, gefüllt sind mit allem, überall und auf einmal“ (S. 368). Dem folgend wäre es doch also gut ein klein wenig Ahnung zu haben, von dem was war, ist und kommen könnte.

Meckel und Steinacker widmen dich den wesentlichen Frage, die es aktuell gibt. Wohl lässt sich ihnen ein gewisser Grundoptimismus zusprechen, aber sie bleiben stets ausgewogen, verbinden also kritische Perspektiven mit Chancen, und fallen wohltuender Weise nicht in ein Extrem von apokalyptischer oder lobhuldigender Denke. In der Entwicklung der K.I. liegt die Chance, dass wir uns als Menschen neu erfinden, so die Autorinnen, unter der Bedingung, dass die Funktionsweise verstanden wird und klar ist, wie sie bestmöglich genutzt werden kann (vgl. 32). Dieser Grundidee folgend erhalten wir über knapp 400 Seiten hinweg eine allumfassende Einordnung.

Wir gehen in der Zeit zurück und lernen etwa  ELIZA kennen, den von Joseph Weizenbaum 1965 entwickelten Chatbot, der bereits erahnen ließ, dass Menschen übermäßiges, ungerechtfertigtes Vertrauen in Computersysteme entwickeln können. Landen logischerweise mit großen Sprachmodellen und weiteren Grundlagenmodellen bei einer am Beginn stehenden Ära generativer K.I., erfahren wie diese Entwicklung aus ökonomischer, gesellschaftlicher und philosophischer Sicht betrachtet werden kann. Lesen über Fragen nach Intelligenz und Bewusstsein, über Datenverarbeitung und Datenschutz. Erfahren, was es überhaupt für Rechenleistungen benötigt, um bestehende Programme zu trainieren und am Laufen zu halten, und das die Umweltkosten dafür enorm sind, mit realweltlichen und sehr greifbaren Folgen, so die Autorinnen.

Wir blicken nicht zuletzt auch auf die politische Ebene, und es wäre insgesamt und speziell hier dann doch sehr einfach in einen lähmenden Pessimismus zu verfallen. Dass der genannte Grundoptimismus immer wieder durchscheint, tut dann doch sehr gut, etwa wenn es heißt: „Das ist kein Plädoyer für Resignation, für den Selbstmord aus Angst vor dem Tod im Datenmixer. Es ist eher ein Plädoyer dafür, dass wir uns jetzt damit beschäftigen sollten, wie wir uns die Zukunft der Demokratie und unseres politischen Systems vorstellen“ (S. 231).