Die Goodwill-Gesellschaft

Ausgabe: 2011 | 3

Robert Jacobis Buch über die von ihm als Goodwill-Gesellschaft bezeichnete „Welt der Stifter, Spender und Mäzenen“ zeugt vor allem im Jahr der Freiwilligenarbeit 2011 von brisanter Aktualität. Der Journalist, Buchautor und Medienberater bemüht sich in seinen Ausführungen einerseits um eine Bestandsaufnahme des Freiwilligen-Sektors in Deutschland. Dabei interessieren in erster Linie die Geschichte des sozialen Engagements, die Situation in Deutschland im internationalen Vergleich und die Einschätzungen von Unternehmerberatern und Stiftungschefs, was das Entwicklungspotenzial des Sektors betrifft. Andererseits liegt ein erklärtes Hauptziel Jacobis auch darin, mit seinem Buch eine Diskussion anzuregen, wie sich „der  Freiwilligen-Sektor in seiner breit gefächerten Aufstellung selbst stärken und seiner wachsenden Rolle für die Gesellschaft gerecht werden kann“ (S. 82). Das Buch dient damit auch als Anleitung, welche Punkte es zu beachten gilt, um „die Vorstellung von sozialem Fortschritt auch in die Praxis umzusetzen“ (S. 215). Dass sich einem auf dem Weg zu einem nachhaltigen Engagement zahlreiche Dilemmata in den Weg stellen, dürfe dabei nicht abschrecken.

 

 

 

„Suche nach einem guten Zweck“

 

Von der Entscheidung, sich gesellschaftlich zu engagieren über das Motiv für dieses Engagement bis hin zur „Suche nach einem guten Zweck“ geht Jacobi Schritt für Schritt den Weg des potenziellen zukünftigen Stifters/Spenders, unterfüttert seine Ratschläge mit zahlreichen Beispielen aus der deutschen Stifterwelt und formuliert Trends und Möglichkeiten für den Freiwilligen-Sektor. Es ist ein Aufruf zum sofortigen, vor allen Dingen aber zum intelligenten und nachhaltigen Handeln, der in jedem Fall „gut gemeint“ ist.

 

Zu Beginn stellt sich Jacobi die Aufgabe, Definitionsarbeit zu leisten. Im einleitenden Kapitel „Von Menschenliebe und Spenderwille“ werden Situation und Problemfelder des Freiwilligen-Sektors vorgestellt. Hier wird auch deutlich, warum sich der Autor für den eigentlich aus der Wirtschaft stammenden Begriff Goodwill entschieden hat: Ebenso wie bei Firmenübernahmen, wo in der Hoffnung auf spätere Erträge deutlich mehr als der Buchwert investiert wird, ist auch im Freiwilligen-Sektor ein Grundvertrauen nötig, dass die Investition auch einen Ertrag bringt. Eines von vielen (Image-)Problemen dieses Sektors macht Jacobi in der mangelnden Bereitschaft fest, Ergebnisse des guten Willens zu präsentieren: Es bestehe eine Rechenschaftspflicht der Stiftungen, die leider allzu oft nicht eingehalten werde. Konsequenz dieser nicht vorhandenen Transparenz sei, dass viele potenzielle Spender das Vertrauen in den Sektor verlieren und ihr Geld anderweitig investieren. Die Forderung nach Transparenz beinhaltet nach Jacobi jedoch nicht nur die Offenlegung von Zahlen – auch die Stifter und Spender sollen sich öffentlich zu ihren Investitionen bekennen, um so eine Vorbildfunktion für andere Menschen mit Spenderwillen zu erfüllen. Dass es eine Vielzahl an potenziellen Spendern gibt, dessen ist sich Jacobi sicher. Er diagnostiziert einen Wertewandel in der Gesellschaft, die er in den Worten Horst Köhlers als eine ‚Wiederentdeckung des Ethos‘ zusammenfasst. Die Verantwortungsethik gewinne mehr und mehr an Bedeutung und solle dem prognostizierten Rückgang von Stiftungsneugründungen nach der Wirtschaftskrise entgegenwirken. Doch auch wenn der gute Wille Konjunktur hat – ist man am sozialen Fortschritt interessiert, so müsse in jedem Fall rational gehandelt werden: Denn hier stelle sich ein weiteres zentrales Dilemma auf dem Weg zum nachhaltigen sozialen Engagement ein: „Wie kann ich sicherstellen, dass gut gemeint auch gut gemacht ist?“ (S. 48) Im dritten Kapitel sollen Jacobis Tipps bei der „Suche nach einem Zweck“ (S. 83) zumindest garantieren, dass über den Verwendungszweck von Spenden eingehend reflektiert werde. Dass die Deutschen eher spontan und emotional als rational und effizient an diese Entscheidung herangehen, würde der Dauerhaftigkeit der Projekte im Wege stehen. Das Einbeziehen der Spende-Empfänger sowie genaue Recherche und Vernetzung mit anderen Organisationen sei für die Stiftungen oberstes Gebot, sofern sie an der Nachhaltigkeit ihrer Projekte interessiert sind. Der Stiftungs-Trend gehe – Jacobi stützt sich hier auf Aussagen Arend Oetkers – bei deutschen Spendern hin zu einer „heimatnahen Hilfestellung“ (S. 88), während Armutsbekämpfung und globaler Fortschritt weniger attraktiv zu sein scheinen.

 

 

 

Spendensammeln im Internet

 

Für die Spendensammler werde das Internet immer wichtiger, prognostiziert Jacobi. Websites wie Clicks4charity oder Tools wie Facebooks Causes seien auf dem Vormarsch, sowohl was Kleinspender als auch große Unternehmer betrifft. Plattformen wie betterplace.org würden zudem auch mehr Aufschluss über den tatsächlichen Verwendungszweck des gespendeten Geldes geben und somit eine Vorreiterrolle einnehmen – Jacobi illustriert dies anhand seiner eigenen 30-Euro Spende für einen Tisch eines Schulkochhauses. Hier wird deutlich: An Anschaulichkeit fehlt es diesem Buch nicht, wenngleich mit Beispielen und Zitaten sparsamer umgegangen werden hätte können: Das Zurückfinden zu zusammenfassenden abstrakten Formulierungen von Thesen und Trends schafft der Autor nicht immer, was leider zu Redundanz führt.

 

 

 

Non-Profit-Management

 

Im vierten Kapitel „Wie die einzelnen Felder bestellt werden“ wird dafür ein eindrücklicher Einblick in verschiedene Fördergebiete gegeben. Anhand der Beispiele aus Wissenschaft, Bildung und dem sozialen Sektor wird deutlich, dass es mit der Geldinvestition oft nicht getan ist. Mangelnde Professionalität, fehlende betriebswirtschaftliche Effizienz und strategische Planung seien als die Hauptfehlerquellen auszumachen. Qualifiziertes Personal für die Behebung dieser Probleme zu finden, stelle sich äußerst schwierig dar, da gemeinnützige Organisationen bekanntlich darauf achten, die Verwaltungskosten im Verhältnis zu ihren Ausgaben für den eigentlichen Zweck so gering wie möglich zu halten. Auf Absolventen der neuen Aufbaustudien wie „Non-Profit-Management und Governance“ würde so häufig verzichtet, da Qualifikation auch Investition vonseiten der Stiftungen bedeute.

 

In seinem abschließenden Plädoyer für eine „gründliche Erfolgsmessung […] nach innen und nach außen“ betont Jacobi erneut die Wichtigkeit von Transparenz. Die Stiftungen müssen die Öffentlichkeit über Fehler und Fortschritt informieren und zugleich ihre Ergebnisse an ihren eigenen Zielen messen. Nichts Neues, diese Forderungen, ebenso wenig wie die nach Vernetzung zwischen Stiftungen, die Jacobi nochmals fordert.

 

Mit andauernder Lektüre zunehmend problematisch wird auch die Vorbildrolle der oft zitierten Goodwill-Menschen Dietmar Hopp, Wilhelm Krull, Arend Oetker u. a. – Deren zweifelsohne beeindruckendes Engagement kippt durch das ständige Wiederholen ihrer Qualitäten an manchen Stellen in eine Imagekampagne. Nichtsdestotrotz: Jacobis Zusammenschau lebt von diesen Beispielen, die andererseits ja auch die Anschaulichkeit des Buches ausmachen. C. H.

 

 

 

Jacobi, Robert: Die Goodwill-Gesellschaft. Die unsichtbare Welt der Stifter, Spender und Mäzene, Hamburg: Murmannverlag 2009.  256 S., €  24,90 [D],  25,60 [A], sFr  42,90

 

ISBN 978-3-86774-060-9