Helga Kromp-Kolb, Herbert Formayer

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Ausgabe: 2019 | 4
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Eingängig zeigt die österreichische Meteorologin und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb mit ihrem Expertenkollegen Herbert Formayer, was Klimawandel für Österreich bedeutet und was man als Einzelperson dagegen tun kann.

Zunächst werden die physikalischen und chemischen Prozesse hinter dem Klimawandel erläutert. Mit der Zunahme von CO2 in der Atmosphäre werden eine Reihe von Rückkoppelungs-Effekten induziert: Sonnenstrahlung gelangt verstärkt unreflektiert auf die Erde, wo das Abschmelzen der Polkappen – insbesondere des Nordpols – weitere Reflexionsflächen zerstört und die Temperatur zusätzlich ansteigen lässt. Eine knapp gehaltene Darstellung der zurückliegenden Klimazyklen zeigt, dass die Erde durchaus Wärmeperioden und Klimaänderungen hinter sich gebracht hat: „Es ist jedoch ein Märchen, dass diese natürlichen Klimaschwankungen unproblematisch verlaufen sind, ganz im Gegenteil. Starke und langanhaltende Klimaveränderungen haben immer zu Verwerfungen geführt, wovon die Biosphäre immer am stärksten betroffen war.“ (S. 37) Während die Menschheit als Spezies unter aktuellen Bedingungen kaum gefährdet sei, würde ein ungebremster Klimawandel das Ende unserer Zivilisation bedeuten, wird im Text gewarnt.

Vor allem der Alpenraum ist vom Klimawandel stark betroffen. Vom Abschmelzen der Gletscher über schneelose, niederschlagsreiche Winter zu heißen und trockenen Sommern müssen sich die Menschen in Österreich auf große Änderungen einstellen. Besonders Land- und Forstwirtschaft sowie der Tourismus werden den Klimawandel spüren – wobei Kromp-Kolb/Formayer auch auf positive Effekte, wie die Verlängerung der Vegetationsperiode oder die gestiegene Attraktivität des Tourismusstandorts während der Sommermonate verweisen. Diese Effekte werden aber von den teuren negativen Folgen „aufgefressen“; die ungebremst voranschreitende Versiegelung und Abnahme der Biodiversität verschärft die Situation zusätzlich. Auch globale Entwicklungen werden auf Österreich zurückwirken: Wüstenbildung, Versalzung von Böden aufgrund steigender Meeresspiegel, Städte, die deswegen aufgegeben werden müssen – all dies wird den Migrationsdruck nach Europa erhöhen und den globalen Kampf um knappe Ressourcen anheizen.

Österreich setzt unzureichende Maßnahmen

Kromp-Kolb/Formayer betonen, dass es trotz der bedrückenden Diagnose Mittel und Wege gibt, den Klimawandel zumindest nicht zu verschlimmern, doch LeugnerInnen fahren harte Kampagnen gegen nötige Regulierungen: „Heute wird gegen den Klimaschutz mit denselben Mitteln vorgegangen wie in den letzten Jahrzehnten gegen den Nichtraucherschutz. Hier wurde auch jahrzehntelang behauptet, dass es nicht erwiesen sei, dass Rauchen der Gesundheit schade, selbst als dieses Thema in der Wissenschaft gar nicht mehr diskutiert wurde. Diese Zweifel wurden mit Unsummen an Geld beworben und durch gekaufte ‚Experten‘ verbreitet, mit dem einzigen Ziel, Einschränkungen für die Tabakindustrie so lange wie möglich zu verhindern. Dasselbe geschieht heute beim Klimaschutz, teilweise sogar durch dieselben Institutionen und Personen.“ (S. 70)

Immerhin hat es international ermutigende Entwicklungen gegeben, etwa das Pariser Klimaabkommen von 2016, welches das erfolglose Kyoto-Protokoll von 1998 ablöste. Freilich muss das Abkommen, das überraschend rasch in Kraft trat, nun auch umgesetzt werden – eine große Herausforderung, gepaart mit politischem Gegenwind, etwa aus den USA. Was Österreich anbelangt, hat sich der einstige Vorreiter in Sachen Umweltschutz beim Klimaschutz zum Schlusslicht gewandelt. Nicht nur, dass Österreich auf nationaler Ebene unzureichende Maßnahmen setzt, es „blockiert im Rahmen der EU sogar vorgeschlagene Klimaschutzmaßnahmen – oft gemeinsam mit Polen, das als kohlereiches Land als absolutes EU-Schlusslicht in Klimaschutzfragen gilt“ (S. 104). Überhöhte Emissionen gehen vor allem vom Energie- und Industriesektor sowie dem Verkehr aus. Auch unsanierte Gebäude und zu kleineren Teilen Land- und Abfallwirtschaft tragen dazu bei, dass der Ausstoß an Treibhausgasen in Österreich weiter zunimmt. Eine Trendwende zu schaffen, bedeutet einen „ähnlichen gemeinsamen Kraftakt der Bevölkerung und ihrer politischen Vertreter wie der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg“ (S. 120). Kromp-Kolb/Formayer sehen Österreichs Untätigkeit vor allem in der Rolle der Sozialpartnerschaft begründet: Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze dürften von Klimaschutz nicht gefährdet werden – eine „Entweder-oder-Logik“, die schon lange nicht mehr zeitgemäß sei (S. 122). Dazu komme eine kontraproduktive Förderpolitik – Stichwort Abwrackprämie oder auch die Pendlerpauschale, die Mehrwertsteuerbefreiung des internationalen Flugverkehrs oder Diesel-Subventionen.

Ein „gutes Leben für alle“ 

Die Klimaforscherin und der Klimatologe wollen nicht weniger als ein „gutes Leben für alle“ erreichen. Wie kann das klappen? Ein erster Schritt ist ein Wirtschaftssystem, welches ökologische Grenzen respektiert. „Donut-Ökonomie“ von Kate Raworth ist ein Beispiel dafür, wie ein solches gestaltet sein könne – ökologische Grenzen gelte es unbedingt einzuhalten, während sozialer Ausgleich als Ziel ökonomischen Handels gelten soll. Weitere Stichworte für all die Vorschläge, wie man den Klimawandel durch ein nachhaltiges Wirtschaftssystem ausbremsen kann, sind etwa: Kreislaufwirtschaft, Postwachstumsansätze, Ökologische Ökonomie. Vor allem gibt es viele ermutigende Beispiele, die zeigen, wie Klimaschutz in der Praxis funktioniert: von genossenschaftlichen Initiativen, Teil- und Tauschkreisen, über Individuen, die vor Ort ökologisch und sozial sinnvolle (Wirtschafts-)Projekte umsetzen, bis zu Klimaschutzgemeinden.

Letztendlich darf die Politik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden: Einmal mehr angeregt werden unter anderem eine ökologische Steuerreform, die Entlastung von Arbeit, die Förderung erneuerbarer Energien, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Manches wird erst gelingen, wenn auch die internationale Staatengemeinschaft ihre Aufgaben erfüllt: „Auch dafür lohnt es sich, zu kämpfen, denn es steht viel, wenn nicht sogar alles auf dem Spiel.“ (S. 203)

Ein empfehlenswertes Buch für alle, die mehr zum Thema erfahren und über ihren eigenen Klimaschutzbeitrag nachdenken wollen.