Wissenswelten

Ausgabe: 2001 | 3

Schulen oder Universitäten sollen Schüler und Studenten auf das Leben vorbereiten und ihnen „Schlüsselqualifikationen“ vermitteln, die es ermöglichen, den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gewachsen zu sein. Sind das alles nur hehre Ansprüche aus bildungspolitischen Sonntagsreden,. oder entsprechen sie der Realität?

Nach 25 Jahren Schulreform herrscht, so Dirk Katzschmann im Editorial zum Schwerpunkt „Bildung für morgen“, allerorten Orientierungslosigkeit. Eine Vergleichsstudie TIMSS (Third International Mathematical Science Study) ergab, dass Deutschland nur noch im unteren Mittelfeld platziert ist, wenn es um mathematische und naturwissenschaftliche Kenntnisse geht.

Wie könnte also der Weg zur „Bildung für morgen“ aussehen? In einem praxisorientierten Unterricht, in den Experten aus dem außerschulischen Alltag integriert sind, steht statt fertigen Problemlösungen die Fähigkeit im Vordergrund, Probleme zu lösen, so Diemuth Ophardt und Felicitas Thiel („Schulen im gesellschaftlichen Verbund“). Schulversuche, so die Autorinnen, in denen sich das Lernen stärker an den Erfordernissen des Alltags orientiert, verdienen daher unsere besondere Aufmerksamkeit.

Der Pädagoge Karlheinz Geißler beschreibt unsere Situation mit der Paradoxie, „dass der Zwang zum Lernen zwar abnimmt, aber der Druck, sich immerzu als Lernender zu begreifen und zu präsentieren, dafür zunimmt“. (S. 698) Auf dem Weg in eine „Wissensgesellschaft“ beschäftigt sich Geißler neben dem neuzeitlichen lebenslangen Lernaufwand auch mit der historischen Entwicklung seit dem 15. Jahrhundert. Josef Kraus (ehrenamtlicher Präsident des Dt. Lehrerverbandes) hält die Muttersprache für die wichtigste Grundlage alles Erfahrens, Mitteilens, Denkens und damit auch Lernens. „Über die Sprache“, so Kraus, „begreife ich meine Welt; ein sprechunfähiges Erleben aber reduziert Welt auf die Flüchtigkeit bloßer Eindrücke.“ (S. 709) Die Frage, ob sich die öffentlichen Bildungsinvestitionen lohnen und was der Gegenwert sei, stellt Jürgen Oelkers (Universität Lüneburg). Seine Lösungsansätze beschäftigen sich mit einer Revision der Bildungsfinanzierung, die leistungs- und erfolgsgebunden erfolgen sollte. Weiters seien Konkurrenz am Bildungsmarkt mit unterschiedlichen Angeboten und Profilen, Reduzierung der Macht der Verwaltung und die Ausrichtung der Allgemeinbildung auf die Anforderungen der Gesellschaft gefragt. Auch die Bildungsorganisation müsse effizient werden, „also darauf verzichten, allen Schülerinnen und Schülern die genau gleiche Lern- und Arbeitszeit zuzumuten, unabhängig davon, wie schnell oder langsam sie tatsächlich sind.“ (S. 707) Schließlich geht es Annette Schavan darum, die Fähigkeiten und Gestaltungsbereitschaft von Kindern und Jugendlichen zu erkennen, sie zu fördern und zu fordern, ihnen Herausforderungen zu setzen und Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Die Qualität des öffentlichen Bildungswesens werde in Zukunft daran gemessen, inwieweit solche Räume der ganzheitlichen Entfaltung und des Einsatzes für das Gemeinwesen geschaffen werden. A. A.

Wissenswelten. Schwerpunkt Bildung für morgen. In: Universitas. Jg. 56 (2001), Nr. 661, S. 658-718, DM 16,- / sFr 15,- / öS 117,-