Wir bauen Europa neu – Wer baut mit?

Ausgabe: 2009 | 3

Einen Blick auf das Jahr 2030 wagt auch Sepp Wall-Strasser, der v. a. die bis dahin vollzogenen Änderungen in Richtung existenzsicherndes Grundeinkommen begrüßt. In gut zwanzig Jahren, heißt es, werde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes EU-weit auf 100 Prozent des Aktivlohnes bei Kündigung und 80 Prozent bei Selbstkündigung verpflichtend auf mindestens 24 Monate festgeschrieben. Aus Sicht des Jahres 2021 schildert Claus Faber gar die Neugründung der Union. „Auf EU-Ebene gibt es einen Parlamentsbeschluss über die Partizipation der Bevölkerung an den Verhandlungen.“ (S. 86) Mittels Volksabstimmung wurden damals „öffentliche Güter“ definiert, die nicht nach den Gesetzen des Marktes gehandelt werden, sondern für die die Öffentlichkeit Leistung und Bezahlung bestimmt. (S. 88) Dafür wurde eine neue Unternehmensform, eine „Öffentliche Gesellschaft in Teilhabe“ (ÖGiT), geschaffen.

Bausteine für eine neue europäische Union stellt Gerhard Jagschitz zusammen, wobei er, ausgehend von einer generellen Neufassung der ideellen und strukturellen Grundlagen der europäischen Zusammenarbeit, die EU als Staatenbund  selbständiger Nationalstaaten sieht, die nach dem Prinzip der Dezentralisierung zu organisieren und grundsätzlich von unten nach oben  „gebaut ist“. Auf Basis eines verpflichtenden Grundsatzkatalogs entscheiden die Staaten im Wesentlichen über alle sie unmittelbar betreffenden Belange selbst, Länderräte als Zweite Kammer stellen jedoch zugleich die Interessen der Mitgliedsländer sicher. Aspekte der direkten Demokratie werden durch Volksbegehren und verpflichtende Volksabstimmungen gewährleistet.

Besonders aufschlussreich – aus heutiger Sicht aber durchaus befremdlich – liest sich die Schilderung von Max Haller, der die Reise eines jungen Schwarzafrikaners im Jahr 2050 zum Studium nach Europa beschreibt. In gut 40 Jahren zeigen sich Wien und Bologna, aber auch viele andere europäische Städte stark verändert bzw. verjüngt, da „Erwerbsarbeit und berufliche Positionen nicht mehr als Besitzstände galten, die man mit Zähnen und Klauen verteidigen musste“. Die Betreuung und Erziehung von Kindern wurde von Frauen und Männer nicht mehr als Hindernis für berufliche Karrieren und Freizeitgestaltung, sondern als Chance gesehen, dem eigenen Leben über Geld und Erwerb hinaus Sinn zu verleihen und sich auch noch im Alter ein sozial reiches und erfülltes Leben zu sichern (vgl. S. 212f.).

Der Band macht Lust auf Eigeninitiative und Mitbestimmung in Europa und besticht durch seine Fülle an konkreten – zwar heute noch utopisch erscheinenden, aber nicht unrealistischen – Ideen zum demokratischen Umbau der EU. A. A.

Wir bauen Europa neu – Wer baut mit? Alternativen für ein demokratisches, soziales, ökologisches und friedliches Europa. St. Pölten (u. a.): Residenz-Verl., 2009. 223 S., € 17,90 [D], 16,90 [A], sFr 31,-

ISBN 978-3-7017-3129-9