Vom lustvollen Abschaffen und Abgewöhnen

Ausgabe: 1995 | 3

Der Journalist Bernd Müllender hat Alltagsgeschichten vom "lustvollen Abschaffen und Abgewöhnen" nicht nur zusammengetragen, sondern wurde selbst zum Autoabschaffer und Urlaubsumdenker. Es geht ihm nicht um Sensationen von Aussteigern, um negativ besetzte Einschränkung und Verzicht, obwohl es durchaus Leute gibt, "die vollgerotzte Papiertaschentücher trocknen lassen, um sie weiter zu benutzen" oder "Zahnstocher beidseitig benutzen und damit etwas gegen die Abholzung des Regenwaldes zu tun gedenken". Autorinnen erzählen hier, wie es ihnen ergangen ist, mit und ohne Computer, Fax-Gerappel, Hometrainer, Eierkocher, Stereoanlage, Radiowecker u.a.m.

Abgeschafft werden sogar Karriere, Schönheitsutensilien, ein kompletter Haushalt, ja sogar Bücher, beispielsweise die (zwölfbändige) Gesamtausgabe Thomas Mann im Taschenbuchformat. Ein Faszinosum der Moderne, das Mobiltelefon, wird von einer Fußballreporterin beseitigt, und ein Journalist wirft den Anrufbeantworter nach reiflicher Überlegung gegen den Widerstand von Kollegen, Auftraggebern und Freunden wieder raus. In vier Zwischenrufen beschäftigen sich die AutorInnen ebenso ironisch wie kritisch mit dem Konsum in Form von Frustkäufen, Hamstermanien und Schnäppchenjagden, denn die westliche Konsumgesellschaft nimmt bisweilen pathologische Züge an. "Sparen", das zeigen die Beispiele, "kann zur zeitraubenden und teuren Dauerbeschäftigung werden - vom cleveren Verbraucher zum irrigen Billigheimer ist es nur ein kleiner Schritt".

Überwiegend jedoch sind konstruktive Beiträge zu umweltgerechterem Leben zu finden: Reparaturfreundlichkeit, Kauf von heimischen Produkten, Gemütlichkeit anstelle des Mobilitätswahns und der Rat, funktionierende alte Dinge nicht wegzuwerfen zugunsten neuester Ökoprodukte sind nur einige der Möglichkeiten für jeden einzelnen. Schließlich findet der Leser im Abschnitt "Her damit" eine optimistische Vision über eine den Menschen angepaßte Technik. Die mit dem IP-Modul (idiot proof = idiotensicher) ausgestatteten Geräte verzichten freiwillig auf höher entwickelte Funktionen, um den Benutzern entgegenzukommen. Zwar ist nicht alles ganz ernst zu nehmen, doch kommt man nach der vergnüglichen Lektüre nicht drum herum, den eigenen Alltag kritisch zu reflektieren.

A. A.

Müllender, Bernd: Weg damit! 25 Reportagen vom lustvollen Abschaffen mit vier Zwischenrufen und einem "Her damit!" Freiburg i. Br. (u. a.): Herder, 1995. Spektrum; 4339) DM/sFr 14,80 /ÖS 116,-