Vom goldenen Zeitalter zum Cyberspace

Ausgabe: 1996 | 4

Wir können uns heute Zukunft nur noch als Katastrophe vorstellen, deshalb ist "unsere Zeit, in der mehr über die Zukunft geredet und geschrieben wird als je zuvor, im Grunde eine Zeit, die keine Zukunft mehr kennt", so die zentrale These des Politikwissenschaftlers Paul Noack. Zunächst beschäftigt sich Noack mit der historischen Dimension des menschlicher! Zukunftsdenkens - vom griechischen Dichter Hesiod (700 v. Chr.) über Platon, dem Zeitalter der Aufklärung bis zu den Utopieentwürfen des 20. Jahrhunderts. Ab diesem Zeitpunkt reduzierten sich Zukunftserwartungen mehr und mehr auf die Beschreibung und mögliche Begrenzung von Katastrophen. Anscheinend sind, so der Autor, die visionären Energien der Welt erschöpft und keine neuen Entwürfe in Sicht. Geblieben seien nur die Technik und ihre Produkte. In ihrem Gefolge entstand wieder ein neuer Zukunftsboom mit" future studies", es begann die Ära der Szenarientechnik und der Weltmodelle. Deren größte Schwäche sieht Noack darin, daß nicht ernsthaft problematisiert wird, warum eigentlich Einsichten politisch nicht wirksam werden, wenngleich dies, wie er eingesteht, "eines der geläufigsten Defizite in der Geschichte denkerischer Zukunftsvorkehrungen" sei. Es sind zwar sämtliche globalen Gefährdungen mit und ohne Computer dieselben: Bevölkerungswachstum, Zerstörung der Natur, Arbeitslosigkeit, allein es fehlen Vorschläge für den Fall, so Noack sarkastisch, "daß es der Menschheit gelingen sollte, die vorausgesagten Katastrophen über die Jahrhundertwende hinaus zu überstehen". Eindringlich warnt der Wissenschaftler vor den Verheißungen des Cyberspace, die wahrscheinlich nicht zu verhindern sind, wodurch der Widerstand gegen diese technologische Invasion gelähmt wird. Durch eine unkontrollierte Informationsschwemme wird "jede Art von rationaler Verständigung" hinweggespült. Zu guter Letzt gibt uns der Autor doch noch Hoffnung, denn "die größte Gefahr tritt erst dann ein, wenn wir nicht mehr einzusehen vermögen, daß die Menschen auf leisen Sohlen ihres Eigen-Willens beraubt werden". A. A.

Noack, Paul: Eine Geschichte der Zukunft. Vom goldenen Zeitalter zum Cyberspace. Bonn: Bouvier-Verl., 1996. 151 S. (Schriftenreihe Extremismus & Demokratie; 9)