Unsere Zukunft nach dem Schulden-Kollaps

Ausgabe: 2012 | 2

Die (Über-)Verschuldung der Staaten wird weltweit die politischen Debatten der kommenden Jahre prägen, sind sich die Wirtschaftsprofessoren Hanno Beck und Aloys Prinz sicher. Beide schildern detail- und kenntnisreich die gegenwärtige „Euro-Krise“ und zeigen dabei ebenfalls deutliche Skepsis, dass die Währungsunion auf Dauer funktionieren kann, zeigen aber auch drastisch die möglichen Folgen eines Auseinanderbrechens auf. Wichtig sei es, aus der Geschichte zu lernen, weshalb beide weit zurückblicken. Ihr „Superstar der Bankrotteure“ ist Philipp II., der Spanien im 16. Jahrhundert gleich viermal in die Pleite trieb.

 

 

 

Lösungsvorschläge

 

Wenden wir uns aber nach der kleinen „Geschichte der Staatspleiten“ und einer Aufarbeitung des Wegs in den Ruin den Lösungvorschlägen zu. Das Ansinnen, die Probleme der Währungsunion – und die damit verbundene Staatsverschuldung – durch mehr Aufsicht zu lösen, kann letztlich nur funktionieren, wenn die Mitgliedstaaten bereit sind, sich in ihren Kompetenzen beschneiden zu lassen. Lösungsvorschlag Nummer zwei zielt auf mehr Zusammenhalt, die viel beschworene Solidargemeinschaft. Mit der rhetorischen Frage, ob die Deutschen mehr Steuern zahlen wollen, damit in Griechenland neue Straßen gebaut werden können, werden diesbezüglich aber wohl zurecht ebenfalls massive Zweifel angemeldet. (vgl. S. 196) Für Beck und Prinz ist allerdings mit dem Euro-Rettungsschirm die europäische Transferunion noch nicht besiegelt, der Rettungsschirm gibt nur Kreditgarantien und man erwartet, dass die Pleitekandidaten das Geld zurückzahlen. Sie räumen aber zwei verdeckte Transfermechanismen ein: zum Einen wird das Geld günstiger als am Kapitalmarkt gegeben (die Kosten für die zinsvergünstigten Kredite zahlt der Geber) und zum Anderen bleiben die Geberländer auf den Krediten sitzen, wenn die Schuldner es nicht zurückzahlen, „dann zahlt der deutsche Steuerzahler für die griechischen Schulden“ (S. 197). Prinzipiell halten beide einen Staatsbankrott für eine unangenehme Sache und „die Aufräumarbeiten sind alles andere als vergnügungssteuerpflichtig“ (S. 231). Beck und Prinz halten zwar die Auflösung der Währungsunion für weder realistisch noch für wünschenswert, denken aber auch das Undenkbare: Wie könnte eine Welt nach der Währungsunion aussehen? „Die maximal größten Auflösungserscheinungen hätte man, wenn jedes Land zu seiner eigenen Währung zurückkehren würde – eine Welt, wie es sie vor der Währungsunion gab.“ (S. 198) Diese Idee wird aber gleich wieder verworfen und statt dessen überlegt, wie ein solches Szenario verhindert werden kann.

 

 

 

Was kommt als Nächstes

 

In der Europäischen Union erwarten die Ökonomen für die kommenden Jahre ein Auseinanderdriften der wirtschaftlichen Entwicklung, wodurch zwei Blöcke entstünden: „die Nordländer mit niedriger Inflationsrate, hoher Produktivität und mäßigen Lohnstückkosten und die Südländer mit höheren Inflationsraten, geringerem Wachstum, dysfunktionalen Arbeitsmärkten und jeder Menge Schulden“ (S. 239f.) Die Währungen der Südländer würden abgewertet, eine massive Kapitalflucht in die Nordländer wäre die Folge. Leider sieht auch die Alternative zu diesem Szenario nicht viel besser aus. Zwei Möglichkeiten sehen die Autoren: „Möglichkeit Nummer eins besteht darin, de facto bankrotten Mitgliedstaaten mit Geld, Krediten und Bürgschaften auszuhelfen und die Europäische Zentralbank zu nötigen, deren Staatsschulden in frisch gedrucktes Geld umzuwandeln – das ist der Stand der Dinge im Jahr 2011.“ (S. 241) Die zweite Möglichkeit wäre ein großer europäischer Finanzausgleich. Beides wird von den Autoren skeptisch beurteilt.

 

Im Grund sehen beide als einzigen Ausweg mehr Sparsamkeit und die wohl bescheidene Empfehlung, dass es mehr Wachstum nur gibt „durch mehr Arbeit, mehr Investitionen und mehr Verzicht, also die Art von Reformen, die ein Politiker nicht mag und zumeist nicht überlebt“ (S. 241f.) Weitere Optionen wären eine europäische Wirtschaftsregierung, strengere Regeln für Defizitsünder und Wachstumsnachzügler, sinkende staatliche Renten, höhere Steuern und wenig Anlagesicherheit. Es braucht aber wohl beides – eine notwendige Konsolidierung des Staatshaushalts und eine Investitionsinitiative nicht auf Kosten neuer Schulden, sondern durch eine Finanztransaktionssteuer und eine höhere Besteuerung der Reichen. Vor allem aber braucht die Jugend in den Ländern des Südens neue Perspektiven. Beginnen muss aber alles damit, dass die Staaten wieder unabhängig werden vom übermächtigen Finanzsektor. Dazu äußern sich die hier zu Wort kommenden Experten nur beiläufig. A. A.

 

 Beck, Hanno ; Prinz, Aloys: Abgebrannt. Unsere Zukunft nach dem Schulden-Kollaps. München: Hanser-Verl., 2011. 288 S., € 19,90 [D], 20,50 [A],

 

sFr 27,90 ; ISBN 978-3446426979