Die Schädigung der Umwelt durch den Menschen stellt auch in der ·Sowjetunion eine ernsthafte Bedrohung dar. Dies gilt für Böden, Gewässer, Luft und Wälder. Anhand von Material, das in der Sowjetunion veröffentlicht wurde, versucht der Autor eine umfassende Darstellung der Umweltprobleme und der Umweltpolitik. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen zwar besser als ihr Ruf, aber alles andere als erfolgreich sind. Seit Ende der 60er Jahre propagieren Wissenschaftler die moderne Form einer Umweltentlastung durch Ressourceneinsparung; 1977 wurde der Umweltschutz in der UdSSR Verfassungsziel. Aber erst durch die drastische Luftverschmutzung in Moskau, Schadstoffbelastung der Wolga, des Baikalsees und des Kaspischen Meeres aufgeweckt, wurden die Grundlagen für umfassende staatliche Aktivitäten gelegt. Nicht aufmerksam genug wahrgenommen wurden bis Tschernobyl die Gefahren der Atomenergie. Steigendes Problembewusstsein dokumentiert sich hingegen in der Tatsache, dass Flussumleitungsprojekte, die trotz vieler Proteste und Gutachten kurz vor der Verwirklichung standen, 1986 auf Eis gelegt wurden. (Es sollten dadurch Schäden durch Wasserkraftwerke und Bewässerungsgroßprojekte korrigiert werden.) Trotz vielfach gegenteiliger Praxis - so ein Ergebnis der Studie - kommt der Vorsorge gegenüber der nachträglichen Reparatur bereits entstandener Schäden steigende Bedeutung zu. Der Schadensreparatur bescheinigt Hünermann jedoch gravierende Mängel. Um eine wirkliche Vorsorge realisieren zu können, wäre eine strukturelle Umgestaltung der Wirtschaftsplanung und des Produktionsablaufes nötig. » Wie weit die Sowjetunion noch von einer Ökonomie entfernt ist, die im Einklang mit der natürlichen Umwelt des Menschen steht, zeigt die Tatsache, dass immer noch neue Umweltschäden entstehen.« Andererseits: Diese Aussage trifft natürlich auch auf alle westlichen Industriestaaten zu. Als bei uns die Diskussion um den Katalysator noch voll im Gang war, wurden in der UdSSR katalytische Neutralisatoren für städtische Autobusse und Großraumkipper in Serienfertigung produziert. 1984 wurde mit der Produktion für Personentaxis und Kleinbussen begonnen: Hinsichtlich der Atomkraftwerke erfolgte auch nach Tschernobyl kein tiefgreifendes Umdenken. Der bei uns gezeigte autorisierte UdSSR-Dokumentarfilm zeigt dies auf erschreckende Weise. Vor diesem Hintergrund wird die neue friedenspolitische Offensive der Kremlführung als ernstes Anliegen verständlich.
Hünermann, Georg: Umweltprobleme und Umweltpolitik in der Sowjetunion. Berlin: EU Berlin, Forschungsstelle für Umweltpolitik,1987. 124 S.