Zukunftsausstellung: Brennpunkte der Nachhaltigkeitsdebatte

Ausgabe: 1999 | 3

Als „Marktplatz der nationalen und globalen Ideen und Lösungen“ für eine nachhaltige Entwicklung bezeichnet Birgit Breuel, Geschäftsführerin  der EXPO 2000, die dem Thema  „Mensch-Natur-Technik“ gewidmete Zukunftsausstellung, die vom 1. 6. - 31. 10. 2000 in Hannover stattfinden wird. In einer auf zwölf Bände angelegten Buchreihe zur EXPO 2000 werden etwa 70 AutorInnen aus über 30 Ländern zu Wort kommen - darunter neben Wissenschaftlern wie Ernst U. v. Weizsäcker und Hartmut Graßl (s. in dieser Ausgabe der PZ) auch PolitikerInnen wie Gro Harlem Brundlandt („Grundrecht Gesundheit“, Bd. 9) und Schriftsteller wie Cees Noteboom („Was braucht der Mensch?“, Bd. 11) oder Stanislaw Lem (Zukunft Mensch“, Bd. 12).

Der vorliegende Band gibt eine Einführung in die Brennpunkte der Nachhaltigkeitsdebatte. Ortwin Renn, Anja Knaus und Hans Kastenholz von der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg zeigen zunächst die Schwierigkeiten einer auch in Zahlen festzumachenden Bestimmung von nachhaltiger Entwicklung. Diese kann ihrer Meinung nach letztlich nur Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses über „Präferenzen und die Gewichtung von Werten“ sein (S. 22). Udo Ernst Simonis und Martin Jänicke stecken in der Folge die Herausforderungen globaler Umweltpolitik ab, wobei sie in der „ökologischen Modernisierung“ der Industriegesellschaften die größten Entwicklungspotentiale ausmachen.

Die Bedeutungsverschiebung von akuten, die Gesundheit unmittelbar beeinträchtigenden Umweltproblemen wie vergiftete Luft oder verunreinigtes Wasser hin zur „schleichenden Degeneration der Umweltverhältnisse“ - Jänicke nennt die Flächen- und Artenverluste, den Klimawandel sowie die langsamen Boden- und Grundwasserdegenerierungen als gewichtigste Probleme - machten Umweltpolitik schwieriger und  zugleich anspruchsvoller, so die Poltikwissenschaftler. Ein Befund, den auch weitere Beiträge zu Verkehr, Klima oder Energie verdeutlichen.

Ob Hans Christoph Binswanger mit seiner Prognose, daß bei Hochrechnung des gegenwärtigen Weltenergieverbrauchs der fossile Energievorrat für weitere 1000 Jahre reichen werde, der Umweltdebatte einen guten Dienst erweist, ist fraglich. Wenn auch Binswangers Plädoyer für die Energievermeidung zuzustimmen ist, kann seine Skepsis gegenüber erneuerbaren Energieträgern - der Ökonom warnt vor deren enormem Flächenverbrauch -.auch kontraproduktiv wirken. Daß die Ernährungsfrage, wie Joachim von Braun vom Institut für Ernährungswirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität Kiel in einem weiteren Beitrag postuliert, nur mit Hilfe der Gentechnik in den Griff zu kriegen sein werde, wird ebenfalls auf Widerspruch stoßen. Doch über Zukunftsfragen muß gestritten werden, das tut auch diesem Band gut, dessen gemeinsamer Faden wohl in der Erkenntnis zu finden ist, daß die ökologische Krise als globale Herausforderung und die Reflexion über menschliche Grundbedürfnisse dabei als zentrale Bezugsfolie der Nachhaltigkeit zu sehen ist. Die weltweite Gewährleistung von Grundbedürfnissen stehe und falle daher - so Günter Altner folgerichtig - „mit einer internationalen Politik der Verständigung über die Kriterien der Nachhaltigkeit als Voraussetzung gemeinsamen Handelns zwischen den Staaten und Kulturen“ (S.140). H. H.

Agenda 21. Vision: Nachhaltige Entwicklung. Hrsg. v. Birgit Breuel. Frankfurt/M.(u. a.): Campus, 1999. 252 S.  (Die Buchreihe der EXPO 2000; 1) DM 36,- / sFr 35,- / öS 263,-