Rebecca Buxton, Lisa Whiting

Philosophinnen

Ausgabe: 2021 | 3
Philosophinnen

(Auf welche Weise) wurden Frauen in der Philosophie systematisch vergessen? Antworten bietet die Sammlung eindrucksvoller Biografien von insgesamt 20 Denkerinnen, welche von Rebecca Buxton und Lisa Whiting erstellt wurde. Mit ihrem Werk möchten sie einen Beitrag dazu leisten, die Wahrnehmung von Frauen im philosophischen Diskurs zu verändern. Denn es fehle nicht an Initiativen, um „die Geschichte der Philosophinnen zurückzuerobern“ (S. 10), sondern an einer breiten gesellschaftlichen Wahrnehmung dieser, so die Autorinnen. Wer etwa Kritik am institutionellen Ausschluss von Frauen im Philosophie-Lehrplan übe, wird schnell mit dem „Vorwurf der Übersensibilität“ (S. 10) konfrontiert. Dieser Behauptung werden mit Philosophinnen Protagonistinnen entgegengestellt, deren Werke ebenso Anerkennung und einen Platz im Lehrplan verdient haben wie die Werke von Mill, Satre oder Rawls.

Diotima und Harriet Taylor Mill

Ganz klassisch beginnt auch diese Sammlung im alten Griechenland. Weniger gängig sind die vorgestellten Personen, beispielsweise Diotima (400 v. u. Z.), die in den platonischen Dialogen eine wesentliche und doch vergessene Rolle spielt: „Sokrates erinnert sich nun, wie er von Diotimas Weisheit lernen durfte, sie habe sein jüngeres Ich in jener Art zu denken geschult, die später als sokratische Methode bekannt werden würde.“ (S. 16) Kritiker:innen mögen nun einwerfen, dass es sich bei Diotima um einen Mythos beziehungsweise um ein Stilmittel der Dialoge handeln könnte. Diese Möglichkeit ziehen auch Buxton und Whiting in Betracht, verweisen dabei jedoch auf Forschungen, welche „Diotima mehr und mehr als historische Figur wahrnehmen“ (S. 14). Darüber hinaus sehen sie in Diotima – ob Fakt oder Fiktion – „eine wichtige weibliche Stimme der Philosophiegeschichte“, deren „Perspektive einen großen Einfluss auf die Argumentationen Sokrates‘ und damit auf die gesamte uns heute bekannte Philosophie“ (S. 15) hatte.

Ebenso wie Diotima die Lehren des Sokrates durch ihr Wissen bereicherte, erweiterte auch Harriet Taylor Mill (1807-1858) die Perspektiven ihres Mannes. Während sie gemeinsam mit John Stuart Mill an seinen Veröffentlichungen arbeitete, widmete sie sich in ihren eigenen Schriften den „Themen Ehe, Frauenrechte, weibliche Bildung und Macht der Gesellschaft über einzelne“ (S. 70). In diesen Arbeiten zog sie bereits eine Unterscheidung zwischen Geschlecht und Gender und identifizierte „dabei auch Kernelemente dessen, was wir heute als Patriachat bezeichnen“ (S. 70). Anzumerken ist, dass die brillante Denkerin öffentliche Dankesworte ihres Partners stets ablehnte. Und so wurde der immense Einfluss auf John Stuart Mills Werke erst nach ihrem Tod und im Zuge der Veröffentlichung von On Liberty anhand der Widmung deutlich: „Wäre ich nur fähig, einen Teil der hohen Gedanken und edlen Gefühle wiederzugeben, die in ihrem Grabe ruhen, so würde ich der Welt damit einen größeren Dienst erweisen, als aus Allem, was ich ohne die Anregungen und Unterstützung ihrer fast unerreichten Geistesgaben noch schreiben mag, wohl je hervorgehen wird.“ (S. 74) Bis zu einer breitgefächerten fachlichen Anerkennung ihrer Leistungen sollten trotz alledem noch Jahre vergehen.

Ergänzung des kulturellen Bewusstseins

Neben Diotima und Harriet Taylor Mill werden noch 18 weitere Frauen vorgestellt, deren Wirkungsbereich sich von 400 v. u. Z. bis zur Gegenwart erstreckt. Überdies bieten Geschichten von Philosophinnen wie jene von Ban Zhao (45-117, China) oder Lalla (1320-1392, Kashmir) spannende Einblicke in die östliche Philosophie, welche im Grunde das Schicksal der Frauen teilt: sie sind in der westlichen Lehre stark unterrepräsentiert.